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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben
Autoren: Peter James
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Befragungsraum 1, haben eben erst angefangen. DC Westmore spricht gerade mit dem Opfer, und DS Robertson führt die Überwachung durch. Möchten Sie in den Überwachungsraum?«
    »Ist für uns beide genug Platz?«
    »Ich hole noch einen Stuhl. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Für einen Kaffee würde ich alles geben«, sagte Grace. »Ein bisschen Milch, kein Zucker.«
    Branson bat um eine Cola light.
    Sie folgten der Beamtin durch den Flur, vorbei an Türen mit der Aufschrift Untersuchungszimmer, Besprechungszimmer und Befragungsraum.
    Sie öffnete eine Tür ohne Aufschrift. Der Überwachungsraum war klein. Der Detective Sergeant, der im Metropole Hotel zuerst vor Ort gewesen war, saß am Tisch, vor sich ein aufgeschlagenes Notizbuch und eine geöffnete Wasserflasche. Er trug einen schlechtsitzenden grauen Anzug und schien mit einem gewaltigen Kater zu kämpfen.
    Auf dem Bildschirm war das statische Bild eines kleinen, fensterlosen Raumes zu sehen, in dem ein blaues Sofa, ein blauer Sessel und ein rundes Tischchen standen, auf dem sich eine große Schachtel Kleenex befand. Das Opfer, eine verängstigt wirkende Frau Mitte dreißig in weißem Bademantel mit den Buchstaben MH auf der Brust, saß zusammengekauert auf dem Sofa, die Arme um den Brustkorb geschlungen. Sie war dünn und hatte ein attraktives, blasses Gesicht, über das schwarze Wimperntusche gelaufen war. Ihr langes rotes Haar war völlig zerzaust.
    Am Tisch gegenüber saß DC Claire Westmore. Sie war ein Spiegelbild des Opfers, hatte die gleiche Haltung eingenommen, die Arme um den Brustkorb geschlungen.
    Im Laufe der Jahre hatte man bei der Polizei gelernt, wie man bei Opfern und Zeugen am besten an Informationen herankam. Das erste Prinzip war die Kleidung. Man sollte nie etwas tragen, das das Opfer ablenken konnte, wie Streifen oder lebhafte Farben. Daher trug DC Westmore ein einfaches blaues Shirt unter einem dunkelblauen Pullover, eine schwarze Hose und schlichte schwarze Schuhe. Ihr schulterlanges Haar hatte sie im Nacken zusammengebunden. Eine silberne Kette war ihr einziger Schmuck.
    Das zweite Prinzip bestand darin, dem Opfer oder der Zeugin die dominante Position zu überlassen, damit sie sich entspannen konnte. Darum saß auch die Befragte, Nicola Taylor, auf dem Sofa und die Polizistin im Sessel.
    Das Spiegeln war eine klassische Befragungstechnik. Wenn man alles spiegelte, was die Befragten machten, entspannten sie sich manchmal so weit, dass sie den Befrager zu spiegeln begannen. Sobald das geschah, hatte dieser die Kontrolle, und das Opfer würde sich beruhigen, eine Beziehung herstellen und, wie es im Befragungsjargon hieß, zu husten beginnen.
    Grace machte sich gelegentlich Notizen, während Westmore langsam und geschickt versuchte, der traumatisierten, schweigenden Frau eine Antwort zu entlocken. Ein hoher Anteil von Vergewaltigungsopfern litt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, und die innere Erregung machte es ihnen unmöglich, sich über längere Zeit zu konzentrieren. Westmore arbeitete geschickt nach dem Prinzip, zuerst über das jüngste Ereignis zu sprechen und sich dann in der Zeit zurückzubewegen.
    Im Laufe der Jahre hatte Grace in zahlreichen Befragungsseminaren etwas gelernt, das er gern an seine Teammitglieder weitergab: Es gab keine schlechten Zeugen, nur schlechte Befrager.
    Diese Kollegin schien jedoch genau zu wissen, was sie tat.
    »Ich weiß, wie schwer es Ihnen fällt, darüber zu sprechen, Nicola. Aber es würde mir helfen zu verstehen, was passiert ist. Ich möchte wirklich herausfinden, wer Ihnen das angetan hat. Sie müssen es mir aber nicht heute sagen, wenn Sie nicht möchten.«
    Die Frau starrte schweigend geradeaus, rang die Hände und zitterte.
    Grace empfand furchtbares Mitleid mit ihr.
    Auch die Polizeibeamtin rang die Hände. Dann fragte sie: »Sehe ich es richtig, dass Sie mit Freunden beim Silvesterdinner im Metropole waren?«
    Schweigen.
    Der Frau liefen Tränen über die Wangen.
    »Können Sie mir heute irgendetwas sagen?«
    Sie schüttelte unvermittelt den Kopf.
    »Das ist kein Problem«, sagte Claire Westmore. Sie saß schweigend da, bevor sie weitersprach. »Haben Sie bei diesem Dinner sehr viel getrunken?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Sie waren also nicht betrunken?«
    »Wieso glauben Sie, ich sei betrunken gewesen?«, fauchte sie plötzlich.
    Die Beamtin lächelte. »Es ist einer dieser Abende, an denen wir uns alle ein bisschen gehenlassen. Ich selbst trinke nicht viel. Aber
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