Du sollst nicht sterben
Hove gingen einkaufen. Schicke Muttis mit Kleinkindern, die sich in ihre Kindersitze kuschelten.
Leute mit viel Geld, mit Kreditkarten.
Und manche waren wirklich zuvorkommend!
Er blieb vor dem Eingang stehen und beobachtete den Strom der Leute, die mit Tüten und vollbeladenen Einkaufswagen herauskamen. Wer nur Tüten hatte, war nicht interessant. Darren konzentrierte sich auf die vollen Einkaufswagen. Eltern und Senioren mit Ruhesitz in der Umgebung, die den Wochenendeinkauf tätigten. Die hier zweihundert Pfund und mehr gelassen hatten.
Manche hatten Kinder dabei, diese Wagen interessierten ihn nicht. Wer wollte schon Babynahrung?
Dann sah er sie herauskommen.
Perfekt!
Die Frau sah reich aus. Sie sah arrogant aus. Sie hatte eine Figur, von der er drei Jahre lang auf seiner Pritsche geträumt hatte. Ihr Einkaufswagen war so hoch beladen, dass es der Schwerkraft zu widersprechen schien.
Neben den Mülleimern blieb sie stehen, zerknüllte ihren Kassenzettel und warf ihn weg. Er schlenderte lässig hinüber, während sie den Einkaufswagen zu einem schwarzen Range Rover Sport schob.
Er schob die Hand in den Mülleimer und holte etliche Kassenzettel heraus. Er brauchte nur eine Sekunde, um ihren zu finden, da er einen halben Meter lang und erst vor zwei Minuten ausgedruckt worden war.
Einhundertfünfundachtzig Pfund! Und sie hatte bar bezahlt, was die Sache sehr erleichterte. Er las, was sie gekauft hatte. Wein. Whisky. Krabbencocktail. Moussaka. Äpfel. Brot. Joghurt. Soviel Zeug. Rasierklingen! Manches brauchte er nicht, aber er wollte nicht wählerisch sein. Phantastisch! Er prägte sich ihr Kennzeichen ein. Mensch, eine toll aussehende Frau mit schönen Schuhen, man konnte nie wissen! Dann schnappte er sich einen Einkaufswagen und betrat den Laden.
Spicer brauchte eine halbe Stunde, um die Liste abzuarbeiten. Er hatte sich schon eine Geschichte zurechtgelegt, dass ein Ei zerbrochen gewesen sei und er eine neue Packung geholt und dabei noch einen Kaffee getrunken habe.
Manche Sachen brauchte er nicht, beispielsweise die zwölf Dosen Katzenfutter und die zwei Büchsen geräucherte Austern, doch er hielt es für ratsam, alles zu nehmen, was auf dem Kassenzettel stand. Für die sechs tiefgefrorenen Steak-und-Nieren-Pasteten war er der Frau wirklich dankbar. Genau sein Geschmack! Auch die sechs Dosen gebackene Bohnen waren toll. Von überkandideltem Essen hielt er nichts. Jameson’s Irish Whiskey fand er gut, wünschte sich aber, sie hätte auf den Bailey’s verzichtet. Außerdem stand die Frau auf Bio-Eier und Bio-Obst. Damit konnte er leben.
Er würde seine Einkäufe zu Hause sortieren und das, was er nicht brauchte, gegen Zigaretten tauschen. Dann würde er sich auf die Jagd machen.
Das Leben war schön. Nur eins hätte es in diesem Moment noch schöner machen können. Eine Frau.
36
Freitag, 2. Januar 1998
Es war jetzt acht Tage her, seit Rachael Ryan von ihren Eltern als ver misst gemeldet worden war.
Acht Tage ohne Lebenszeichen.
Roy Grace hatte seit Weihnachten unermüdlich an dem Fall gearbeitet. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. Schließlich hatte Chief Inspector Jack Skerritt darauf bestanden, dass er sich den Silvesterabend freinahm, um ihn mit seiner Frau zu verbringen.
Grace hatte nur zögernd eingewilligt, weil er hin und her gerissen war zwischen seiner Sorge um Rachael und dem Bedürfnis, den häuslichen Frieden mit Sandy zu wahren. Nachdem er zwei Tage nicht im Büro gewesen war, ließ er sich an diesem Freitagmorgen von Skerritt auf den neuesten Stand bringen. Der Chief Inspector teilte seinem kleinen Team mit, dass die Operation Sundown nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten hochgestuft würde. Ein großes Ermittlungsteam war zusammengestellt worden, und man hatte sechs weitere Ermittler aus anderen Teilen der Grafschaft angefordert.
Die Soko-Zentrale wurde im vierten Stock des Polizeireviers an der John Street eingerichtet, gleich gegenüber der geschäftigen Zentrale der Operation Houdini, die weiter nach dem Schuh-Dieb suchte.
Grace, der davon überzeugt war, dass die beiden Ermittlungen zusammengehörten, setzte sich an seinen neuen Schreibtisch gleich neben dem zugigen Fenster, von dem er über den Parkplatz und über die grauen, regennassen Dächer bis zum Bahnhof und zur Eisenbahnüberführung blickte.
Grace hatte eine dicke Akte zu dem Fall auf dem Schreibtisch liegen. Trotz der Feiertage hatte er die Angaben zu Rachaels Bankkonten und Kreditkarten ermitteln
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