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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Biglow durch einen weiteren Hustenanfall. Er deutete auf ein Waschbecken.
    »Wäschst du dich nie? Hier riecht’s wie im Klo.«
    »Willst du eine Tasse Tee? Kaffee?«
    Spicer schaute zu einem Eckregal, auf dem ein Kessel und einige schmutzige Tassen standen. »Nein danke, bin nicht durstig.« Kopfschüttelnd betrachtete er den alten Ganoven. Du warst mal ein großer Mann in dieser Stadt, dachte er. Als junge hatte ich eine Heidenangst vor dir. Schon der Name Biglow machte den meisten Leuten Angst. Und jetzt sieh dich an.
    Die Biglows waren eine Familie von Kriminellen gewesen, die man nicht unterschätzen durfte. Sie erpressten Schutzgeld, kontrollierten die halbe Drogenszene von Brighton and Hove, und Terry war einer ihrer Nachkommen. Ein Mann, mit dem man es sich nicht verscherzen durfte, sonst endete man mit einer Rasiermessernarbe auf der Wange oder Säure im Gesicht. Er kleidete sich ordinär, mit dicken Ringen und Uhren, und fuhr schicke Autos. Jetzt war er bleich und verschrumpelt. Sein Haar, das selbst um Mitternacht immer tadellos frisiert gewesen war, wirkte ebenso schäbig wie der Teppich und hatte den nikotingelben Stich von billigem Färbemittel.
    »Im Knast warst du doch im Sittich-Flügel, Darren?«
    »Scheiße, ich war nie ein Sittich.«
    »Da hab ich aber was anderes gehört.«
    Spicer schaute ihn abwehrend an. »Ich hab’s schon mal gesagt, oder? Sie war ganz wild drauf. Du merkst doch, wenn eine Frau wild drauf ist. Hat sich mir an den Hals geworfen. Ich musste sie wegstoßen.«
    »Komisch, dass die Geschworenen dir nicht geglaubt haben.« Biglow nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Schublade und steckte sich eine in den Mund.
    Spicer schüttelte den Kopf. »Lungenkrebs, und du rauchst immer noch?«
    »Macht jetzt auch keinen Unterschied mehr, Sittich.«
    »Fick dich.«
    »Ist doch immer wieder schön, dich zu sehen, Darren.« Er zündete die Zigarette mit einem Einwegfeuerzeug an, inhalierte und bekam sofort den nächsten Hustenanfall.
    Spicer kniete sich hin, rollte den Teppich zurück, entfernte zwei Dielenbretter und zog einen alten Lederkoffer hervor, der mit vier Ketten und Schlössern gesichert war.
    Biglow hielt die Uhr hoch. »Ich sag dir was. Ich war immer fair und will nicht, dass du schlecht von mir denkst, wenn ich weg bin. Ich bekomme die Aufbewahrungsgebühr für drei Jahre. Also gebe ich dir dreißig für die Uhr. Das ist doch fair.«
    In einem Wutanfall packte Spicer ihn an den Haaren, riss ihn hoch und hielt ihn wie eine Bauchrednerpuppe vors Gesicht. Er staunte, wie leicht der Mann war. Dann rammte er ihm die Faust unters Kinn, so hart, dass es ihm selbst weh tat. Hoffentlich hatte er sich nicht den Daumen gebrochen.
    Terry Biglow erschlaffte. Spicer ließ das Häufchen Elend auf den Boden fallen und trat die brennende Zigarette aus. Dann befühlte er seinen Daumen und schaute sich um, ob es in dem schäbigen Zimmer etwas gab, das mitzunehmen lohnte. Doch außer der Uhr fand er nichts. Überhaupt nichts.
    Er klemmte sich den schweren Koffer unter einen Arm, nahm die Reisetasche in die andere Hand und verließ das Zimmer. An der Tür drehte er sich noch einmal zu dem Häufchen Elend um. »Wir sehen uns bei deiner Beerdigung, Kumpel.«
    Er schloss die Tür, ging die Treppe hinauf und trat hinaus in den kalten, windigen Freitagmorgen.

34
Jetzt
Freitag, 9. Januar
    Zum zweiten Mal in dieser Woche musste DC Claire Westmore sich um das Opfer eines sexuellen Übergriffs kümmern.
    Sie wusste aus Erfahrung, dass die Frauen unterschiedlich reagierten und sie Roxy Pearce ständig im Auge behalten musste.
    Nach einer ersten Untersuchung durfte die Frau sich ausruhen und würde, wenn nötig, ein Medikament erhalten, das ihr dabei half. Morgen könnte dann hoffentlich die Befragung beginnen. Wie die meisten Opfer würde auch Roxy Pearce schrecklich leiden, wenn sie die Tat noch einmal durchlebte und Westmore ihr Notizbuch mit dem qualvollen Bericht füllte.
    Dieser Augenblick war der schlimmste für alle Beteiligten. Sie waren alleine mit der Polizeiärztin in dem sterilen Untersuchungsraum. Roxy Pearce trug nur den weißen Bademantel und die rosa Pantoffeln, in denen sie hergekommen war. Im Polizeiauto hatte man sie in eine Decke gewickelt, damit sie nicht fror, doch nun saß sie gebeugt, schweigend und verloren auf dem blauen Untersuchungstisch und starrte ausdruckslos ins Leere. Ihr langes schwarzes Haar war verfilzt und verdeckte ihr Gesicht. Während sie zunächst viel geredet hatte,

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