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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Samstagabend, wo er doch im Argus gerade die neuesten Nachrichten lesen wollte.
    Es waren fünf betrunkene Mädchen, alle ohne Mantel, in dünnen Kleidchen, die Beine und Brüste freigaben, Tätowierungen und gepiercte Bauchnabel. Es war Januar! Merkten die denn nicht, wie kalt es war?
    Er durfte eigentlich nur vier von ihnen mitnehmen. Das sagte er auch, aber sie waren zu betrunken, um zuzuhören, und drängten sich am Taxistand in der East Street allesamt in sein Auto, schreiend, plappernd, kichernd, und verlangten, er solle sie zum Pier bringen.
    Das Taxi war voll von ihren Düften. Rock ’N Rose. Fuel For Life. Red Jeans. Sweetheart. Shalimar. Er erkannte alle. Oh ja. Vor allem erkannte er Shalimar.
    Das Parfum seiner Mutter.
    Er sagte, es sei nur ein kurzer Fußweg, dass sie bei diesem Verkehr zu Fuß sogar schneller wären. Doch sie bestanden darauf, dass er sie mitnahm.
    »Verdammt, es ist saukalt!«, sagte eine von ihnen. Ein molliges kleines Ding, sie trug Shalimar, hatte üppiges blondes Haar und halbnackte Brüste, die aussahen, als hätte man sie mit einer Luftpumpe aufgeblasen. Sie erinnerte ihn ein bisschen an seine Mutter. Ihre Derbheit, ihre Figur und ihre Haarfarbe.
    »Und ob«, sagte eine andere. »Verdammt, es ist scheißkalt!«
    Eine zündete sich eine Zigarette an, er konnte den beißenden Rauch riechen. Auch das war verboten. Das sagte er auch und schaute sie wütend im Spiegel an.
    »Willst du mal ziehen, mein Hübscher?«, fragte sie schmollend und hielt ihm die Zigarette hin.
    »Ich rauche nicht.«
    »Noch zu jung, was?«, meinte eine andere, worauf alle in quiekendes Gelächter ausbrachen.
    Am liebsten hätte er sie zu den skelettartigen Überresten des West Pier gefahren, die einen knappen Kilometer entfernt standen, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Auf dass sie nie wieder den Lebensunterhalt eines Taxifahrers gefährdeten. Dass er es nicht tat, hatte nur einen einzigen Grund.
    Die Schuhe und das Parfum, das die Mollige trug.
    Schuhe, die er ganz besonders mochte. Schwarz und silbern glänzende Jimmy Choos. Größe 37. Oh ja. Die Größe seiner Mutter.
    Jak fragte sich, wie sie nackt aussehen würde, wenn sie nur die Schuhe anhatte. Würde sie wie seine Mutter aussehen?
    Gleichzeitig fragte er sich, ob sie einen hoch- oder tiefhängenden Spülkasten bei sich zu Hause hatte. Doch das Problem mit betrunkenen Leuten war, dass man sich nicht richtig mit ihnen unterhalten konnte. Reine Zeitverschwendung. Also fuhr er schweigend weiter und dachte über ihre Schuhe nach. Roch ihr Parfum. Betrachtete sie im Spiegel. Dachte mehr und mehr, wie ähnlich sie seiner Mutter sah.
    Er bog nach rechts in die North Street und hatte nach wenigen Minuten die fröhlich bunten Lichter des Brighton Pier erreicht.
    Der Taxameter zeigte nur 2,40 Pfund. Nicht viel. Und dafür hatte er dreißig Minuten in der Reihe am Taxistand gewartet. Damit war er gar nicht glücklich. Und er war noch unglücklicher, als ihm eine von ihnen 2,50 Pfund in die Hand drückte und sagte, der Rest sei für ihn.
    »Hey!«, sagte er. »Hey!«
    Der Mann, dem das Taxi gehörte, erwartete an einem Samstagabend den großen Umsatz.
    Die Mädchen schälten sich nacheinander aus dem Auto, während er abwechselnd die Jimmy Choos betrachtete und sich besorgt nach einem Polizeiauto umsah. Die Mädchen verfluchten den kalten Wind, hielten ihre Haare fest, stolperten auf hohen Absätzen herum und begannen, während die Taxitür noch offen stand, darüber zu streiten, weshalb sie überhaupt hergekommen und nicht einfach in der Kneipe geblieben waren.
    Er griff hinüber, rief »Entschuldigung, die Damen!« und zog die Tür zu. Dann fuhr er die Promenade entlang, umwogt von Shalimar, Zigarettenrauch und dem Geruch von Alkohol. Ein Stückchen weiter hielt er im absoluten Halteverbot neben dem Geländer der Promenade und schaltete den Motor ab.
    Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Schuhe von Jimmy Choo. Größe 37. Er atmete tief durch und sog den Duft von Shalimar ein. Es war kurz vor sieben. Zeit für seine Teepause. Die war sehr wichtig. Die brauchte er.
    Aber es gab etwas, das er noch mehr brauchte.
    Oh ja.

44
Jetzt
Samstag, 10. Januar
    Trotz der Kälte und des beißenden Windes drängten sich mehrere Gruppen, vor allem junge Leute, am Eingang zum Pier. Grellbunte Lichter blitzten und funkelten an dem Bauwerk, das sich fünfhundert Meter weit in die tintenschwarze Dunkelheit des Ärmelkanals erstreckte. Ein Union Jack flatterte knatternd im Wind.

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