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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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einarmigen Banditen klapperten und klingelten, überall wurde vor Freude geschrien und wütend geflucht. Sie kamen an einem Glaskasten mit Teddybären und einer Wechselstube in Form einer viktorianischen Straßenbahnhaltestelle vorbei.
    Sie gelangten wieder in die eisige Kälte. Mandy holte ihre Freundinnen ein, als sie eine Reihe von Ständen passierten, aus denen laute Musik drang.
    Sie gingen auf die Karussells zu. Es gab eine Achterbahn namens WILDE MAUS, auf der ihr einmal richtig schlecht geworden war.
    Rechts von ihnen lagen die Geisterbahn und das HORROR HO-TEL. »Ich will auf die Geisterbahn!«, sagte Mandy.
    Karen drehte sich um und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Handtasche. »Die ist doch jämmerlich. Die ist wirklich Scheiße. Das ist gar nichts. Ich brauche was zu trinken.«
    »Ich auch!«, rief Char. »Ich brauche auch was zu trinken.«
    »Was ist mit dem Turbo?«, meinte ein Mädchen namens Joanna.
    »Nein, ich will auf die Geisterbahn!«, beharrte Mandy.
    Joanna schüttelte den Kopf. »Vor der habe ich Angst.«
    »Sie ist gar nicht richtig gruselig«, beschwichtigte Mandy. »Wenn ihr nicht wollt, gehe ich allein.«
    »Das traust du dich nicht!«, rief Karen. »Du bist doch ein Angsthase!«
    »Ich werd’s euch zeigen!«, sagte Mandy. »Und ob ich es euch zeige!«
    Sie stolperte zum Kassenhäuschen. Keine von ihnen bemerkte den Mann, der ganz in ihrer Nähe stand und sorgfältig seine Zigarette austrat.

45
Dienstag, 6. Januar 1998
    Er hatte noch nie eine Leiche gesehen. Nun ja, abgesehen von seiner Mutter. Sie war zum Skelett abgemagert gewesen, verzehrt von dem Krebs, der sich durch sie hindurchgefressen und nur die Haut übrig gelassen hatte. Die verdammten kleinen Krebszellen hätten auch sie noch gefressen, wenn ihnen die Einbalsamierungsflüssigkeit nicht den Rest gegeben hätte.
    Seine Mutter hatte ausgesehen, als ob sie schliefe. Sie lag, in ihr Nachthemd gekleidet, in einem Raum des Bestattungsinstitutes. Ihr Haar war hübsch frisiert. Ein leichtes Make-up verlieh ihrem Gesicht Farbe, und die Haut schimmerte rosig von der Einbalsamierungsflüssigkeit. Der Bestatter hatte ihm gesagt, man habe sie wirklich nett hergerichtet.
    Netter als im Leben.
    Tot konnte sie ihn nicht mehr quälen. Ihm nicht mehr sagen, er sei ebenso nutzlos wie sein betrunkener Vater, wenn sie zu ihm ins Bett stieg. Dass sein Ding jämmerlich sei, kürzer als die Absätze ihrer Schuhe. In manchen Nächten hatte sie einen Schuh mit Pfennigabsatz dabei, mit dem er sie befriedigen musste.
    Sie fing an, ihn Schrumpf zunennen.
    Er hatte auf dem Stuhl an ihrem Bett gesessen, so wie er in den Tagen, in denen ihr Leben allmählich davonglitt, an ihrem Krankenbett gesessen hatte. Er hatte ihre Hand gehalten. Sie war kalt und knochig wie die Hand eines Reptils. Aber eine Hand, die einem nicht mehr weh tun konnte.
    Er hatte sich vorgebeugt und ihr ins Ohr geflüstert: »Ich sollte wohl sagen, dass ich dich liebe. Aber das tue ich nicht. Ich hasse dich. Ich habe dich immer gehasst. Ich kann deine Beerdigung gar nicht erwarten, denn danach werde ich die Urne mit deiner Asche nehmen und sie in den Müll werfen, wo du hingehörst.«
    Aber diese neue Frau war anders. Er hasste Rachael Ryan nicht. Er schaute auf sie hinunter, wie sie nackt am Boden der Tiefkühltruhe lag, die er an diesem Morgen gekauft hatte. Wie sie ihn aus Augen anstarrte, die schon von Frost überzogen waren. Derselbe Frost, der sich auf ihrem ganzen Körper niederschlug. Er horchte einen Moment auf das Summen des Motors. Dann flüsterte er: »Rachael, es tut mir leid, was passiert ist. Ganz ehrlich. Ich wollte dich nicht töten. Ich habe noch nie irgendetwas getötet. Das bin nicht ich, ich möchte nur, dass du das weißt. Ganz und gar nicht ich. Das ist nicht meine Art. Ich werde mich um deine Schuhe kümmern, das verspreche ich dir.«
    Plötzlich gefiel es ihm nicht, wie ihre Augen ihn anschauten, so feindselig. Als könnte sie ihn immer noch anklagen, obwohl sie tot war. Ihn von irgendeinem anderen Ort her anklagen, aus einer anderen Dimension, in die sie gelangt war.
    Er knallte den Deckel zu.
    Sein Herz hämmerte. Der Schweiß lief ihm in Strömen herunter.
    Er brauchte eine Zigarette.
    Er musste ganz in Ruhe nachdenken.
    Er zündete sich die Zigarette an und rauchte langsam, dachte nach. Dachte. Dachte.
    Ihr Name war überall. Die Polizei suchte sie in der ganzen Stadt. In ganz Sussex.
    Er zitterte.
    Du dumme blöde Frau, warum nimmst du mir auch die Maske

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