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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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zwischen den beiden Tanklastwagen viele Menschen aufhalten. Zeitweise sind es mehrere hundert bettelarme Afghanen – Erwachsene und Kinder. Es gibt Treibstoff. Viele können sich so etwas schon lange nicht mehr leisten. Aus über einem Dutzend Dörfern sind sie herbeigeeilt.
    Fünfmal schlagen die Besatzungsmitglieder der US -Jets vor, die Menschen durch Tiefflüge zu vertreiben. Durch seinen Flugleitoffizier, der neben ihm sitzt, lehnt Klein dies kategorisch ab. Er will bombardieren. Als die amerikanische Flugzeugbesatzung schließlich nachfragt, ob er die Tanklastwagen ausschalten wolle oder die Menschen, lässt Klein antworten: »Wir sollten versuchen, die Leute zu treffen.« Er sieht in ihnen eine »unmittelbare Bedrohung« für die 15 Kilometer entfernten deutschen Soldaten.
    Um 1.59 Uhr werfen die US -Kampfjets, Kleins Befehl folgend, ihre Bomben ab. Allerdings nur zwei, obwohl Klein sechs Bomben gefordert hatte. Um 3.13 Uhr meldet das »Wiederaufbauteam Kunduz« seinem Regionalkommando, man habe 54 Aufständische getötet. Verluste unter Zivilisten habe es keine gegeben.
    Die Menschen von Kunduz werden jene Nacht, in der ein deutscher Kommandeur eines »Wiederaufbauteams« ihr Leben zerstörte, nie vergessen. Sie verstehen bis heute nicht, was diesen Mann dazu bewegt hat, wehrlose Menschen zu töten.
    Stockend erzählte der vierzehnjährige Ibrahim meinem Freund und Mitarbeiter Belal El-Mogaddedi später, wie er jene Nacht erlebte:
    »Wir sind vier Brüder und zwei Schwestern. Am Abend saßen wir gemütlich zusammen. Plötzlich bemerkte mein Vater, dass Menschen durchs Dorf eilten. Als er hörte, dass es kostenlosen Treibstoff gab, ist er mitgegangen. Dann kamen die Bomber.
    Gegen 2 Uhr nachts habe ich vom Tod meines Vaters erfahren. Ich bin sofort zum Anschlagsort gerannt. Aber ich habe seinen Leichnam nicht gesehen. Diejenigen, die ihn gefunden haben, konnten ihn nur noch anhand seines gebrochenen Schneidezahns identifizieren.
    Als Ältester muss ich jetzt die Familie führen. Unser Auskommen versuche ich mit einem kleinen Laden zu sichern. Von 8.00 bis 12.30 Uhr gehe ich zur Schule. Dann übernehme ich den Laden von meinen Geschwistern. Sie gehen nachmittags zur Schule.
    Manchmal besuche ich das Grab meines Vaters. Es ist mit weißen Flusssteinen bedeckt. Ich weiß, dass niemand ewig leben wird. Aber uns wurde großes Unrecht zugefügt. Einmal habe ich von meinem Vater geträumt, wie er über unser Feld ging. Ich habe ihm im Traum zugerufen: ›Vater, du bist doch tot, was machst du hier?‹ Aber er hat nicht geantwortet. Wenn ich an meinen Vater denke, habe ich das Gefühl, dass ich zu seinen Lebzeiten alles hatte. Ich bin gerne mit ihm spazieren gegangen. Seit er tot ist, gehe ich kaum noch raus. Ich habe keine Lust mehr.
    Den Verantwortlichen des Bombardements möchte ich sagen: Die Menschen, die ihr getötet habt, waren Schüler, Bauern, Traktorfahrer. Einfache, gute Leute. Mit welchem Recht habt ihr den Piloten befohlen, Bomben abzuwerfen?«
    Der damals achtunddreißigjährige Bauer Abdul Hannan aus Alia bad berichtete:
    »In der Nacht des Anschlags schliefen mein Neffe Aref Jan sowie meine Söhne Abdul Bayan und Sanaullah auf dem Flachdach unseres Lehmhauses. Sie waren acht und zwölf Jahre alt. Gegen Mitternacht lief ein Nachbar am Haus vorbei und rief: ›Freibenzin.‹ Ich habe tief geschlafen und ihn nicht gehört.
    Meine Frau wollte mich nicht wecken, weil ich immer früh raus muss. Also hat sie vorsichtig die Kinder wachgerüttelt und ihnen gesagt, sie sollten wie die anderen Freibenzin holen. Die Tanklastwagen waren ganz nahe bei uns im Fluss stecken geblieben. Die Jungs sind mit ihren Behältern losgerannt. Am Fluss standen viele Menschen, alle mit Kanistern in der Hand. Meine Kinder mussten sich hinten anstellen, weil sie so klein waren. Dann wurden die Bomben abgeworfen.
    Morgens um 5 Uhr bin ich zum Fluss gegangen und habe die Kinder geholt. Nur ihre Rümpfe waren übrig geblieben. Die Gliedmaßen fehlten. Ich habe sie in einem Sammelgrab im Dorf beerdigt. Mein Schmerz ist unerträglich. Auch heute noch.
    Die Deutschen haben mir insgesamt 5000 US -Dollar gegeben. Für drei Kinder. Wenn sie wollen, können sie das Geld wiederhaben.«
    Die achtjährige Basira erzählte:
    »Ich heiße Basira, mein Vater hieß Alefuddin. Bei dem Anschlag kamen mein Vater, zwei Onkel und ein Bruder ums Leben. Wir sind jetzt noch drei Schwestern und vier Brüder. Ich gehe in die dritte Klasse.
    An meinen Vater

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