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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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erinnere ich mich gerne. Obwohl ich weiß, dass er für immer fort ist. Ab und zu besuche ich sein Grab. Er war ein guter Mensch. Er war Bauer und hat auf den Feldern gearbeitet. Ich habe ihm immer das Mittagessen aufs Feld gebracht. Er mochte gerne Kartoffeln. Für meine Arbeit hat er sich stets bedankt und mich immer gelobt.
    Wenn er nach Hause kam, hat er mit mir und meinen Geschwistern gespielt. Oder sich einfach mit uns unterhalten. Manchmal träume ich von meinem Vater. Dann sagt er zu mir: ›Komm, Basira, lass uns spielen!‹«
    Als ich in einer Talkshow des deutschen Fernsehens Fotos der getöteten Kinder zeige, fällt mir der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel wütend ins Wort. Ich habe keine Möglichkeit, das Schicksal der Kinder zu schildern. Ein anderer Politiker wirft mir später vor, durch das Zeigen der Bilder unterstellte ich, er und seine Kollegen hätten den Tod Unschuldiger gewollt.
    Nein, unsere Politiker haben die Tötung afghanischer Kinder, Mütter und Väter nie gewollt. Aber sie haben sie bewusst in Kauf genommen. Im deutschen Recht nennt man das bedingten Vorsatz, »dolus eventualis«. Es ist der Vorsatz der Gleichgültigen.
    Ich habe die Fotos in jener Sendung hochgehalten, um das wahre Bild des Krieges zu zeigen. Die Wahrheit über den Krieg erfahren wir nicht durch glanzvolle Militärparaden oder schneidige Reden. Sondern durch die Bilder zerfetzter, verbrannter Kinder und die gebrochenen Herzen ihrer Mütter. Der »Kollateralschaden« ist das wahre Gesicht des Krieges.
    Oberst Klein ist inzwischen zum Brigadegeneral befördert worden. 21 Welch unglaubliche Verhöhnung der Opfer, der Grundwerte unseres Landes und der Bundeswehr! Ein Polizeioffizier, der im Kampf gegen deutsche Terroristen etwas Vergleichbares in Deutschland angerichtet hätte, säße längst im Gefängnis. Oder in der Irrenanstalt.
    Hätte man Klein nicht zumindest in den Ruhestand versetzen können? Mit dem Argument, dass Soldaten unter dem unvorstellbaren Stress des Krieges unvorstellbare Fehler begehen? Hätte ein Mann von Charakter eine solche Beförderung nicht ablehnen müssen?
    Bis heute war kein Mitglied der Bundesregierung bei den Opferfamilien von Kunduz. Kein Minister hat sich jemals bei den Angehörigen entschuldigt. Welch eine Schande!
    Manches, was der Westen in Afghanistan tut, ist aus der Sicht der Afghanen nicht besser als das, was Bin Laden in den USA getan hat. Die afghanische Zivilbevölkerung hat in den letzten zwölf Jahren unzählige 9/11 erlebt. Ist es imperiale Verblendung, dass uns das nicht einmal bewusst wird? Solange wir nicht verstehen, dass andere genauso leiden wie wir, wird die Spirale aus Terror, Krieg und wieder Terror niemals enden.
    Mehrfach habe ich deutsche Politiker gebeten, einmal mit mir afghanische Kriegsopfer zu besuchen. Wir könnten hierzu relativ sichere Orte Afghanistans aufsuchen. Doch alle hatten Ausreden. Entwicklungshilfeminister Niebel etwa erklärte mir, dass das Bundeskriminalamt ihm die Reise nie gestatten werde. Als ich ihn ungläubig anschaute, schob er das Argument nach, die Kanzlerin könne »auf ihn nicht verzichten«. Ob er sich da nicht täuscht?
    Die meisten unserer Politiker haben einfach Angst. Sie sind nicht bereit, auch nur einen Bruchteil der Gefahren auf sich zu nehmen, die sie unseren Soldaten täglich zumuten. Wir sollten wirklich alle Politiker, die für Krieg eintreten, vier Wochen in Kampfgebiete schicken. Zu Patrouillenfahrten. Ohne BKA -Schutz. Es würde keine Kriege mehr geben.
    Irrfahrt nach Bagdad
    In jenem Sommer 2009 versuchte ich – nach einem Zwischenaufenthalt in Damaskus – mich auch noch nach Bagdad durchzuschlagen. Da es von Damaskus keine vernünftigen Flugverbindungen gab, nahm ich mir mittags ein Taxi. Mein weißhaariger Fahrer Baschir machte einen sympathischen und gepflegten Eindruck. Leicht klappernd setzte sich sein alter Renault in Bewegung. Er hatte bereits viele hunderttausend Kilometer auf dem Buckel. Wie immer dauerten die Kontrollen an der syrisch-irakischen Grenze stundenlang. Erst am späten Nachmittag waren wir im »befreiten und befriedeten« Irak.
    Der Renault kämpfte mit der Hitze und seinem Alter. Ich auch. Die Wüstenstraße war eintönig. An ihren Rändern lagen ausgebrannte Fahrzeuge. Nur langsam kamen wir vorwärts. Es wurde dunkel. Mein freundlicher syrischer Fahrer glaubte trotzdem, dass wir kurz nach Mitternacht in der irakischen Hauptstadt sein würden.
    Bagdad wird für mich immer das Symbol

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