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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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mir bei einem Besuch im Jahr 2009 einen alten, blauen Arbeitsanzug angezogen. Dann hatte ich das schmutzige Klo eigenhändig gereinigt, verputzt und neu gestrichen. Zwei Tage brauchte ich für diese unangenehme Arbeit. Ich wollte wenigstens einmal etwas mit eigenen Händen für die »Verdammten dieser Erde« tun.
    In der New York Times , in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der arabischen Al-Quds Al-Arabi hatte ich 2008 »Zehn Thesen« zur Unwissenheit des Westens über die muslimische Welt publiziert. Die drei zentralen Punkte lauteten:
    »Muslime sind genauso viel wert wie Juden und Christen.«
    »Hör und sieh dir immer beide Seiten an!«
    »Verhandlungen sind besser als Kriege.«
    Es war im Grunde mein außenpolitisches Glaubensbekenntnis. Hat die Veröffentlichung irgendetwas bewirkt? Wenn ich die Reden mancher westlicher Politiker lese und ihre Taten sehe, denke ich, ich hätte es auch bleiben lassen können.
    In Berlin hatte ich Anfang 2011 eine Idee von John Lennon aufgegriffen und im Regierungsviertel riesige Plakate geklebt: »Der Afghanistankrieg ist vorbei – wenn ihr es wollt.« Obwohl selbst die Bild - Zeitung ausführlich darüber berichtete, stimmten im Bundestag kurz danach fast alle Parteien für die Fortsetzung des Krieges.
    Die Kritik an meiner Kritik der Kriege wurde immer hämischer, verächtlicher. Interessanterweise umso mehr, je deutlicher das Scheitern der Kriege wurde. »Vulgärpazifist«, »bewaffneter Arm der Heilsarmee«, »Sprecher der Taliban«, »Simpel« waren nur einige der Schimpfworte, die mir um die Ohren flogen. Die Opfer des Krieges in den Vordergrund zu stellen gilt als naiv.
    Die Kinder von Kunduz
    Im Herbst 2012 flog ich mit Julia, Frédéric und Belal El-Mogaddedi erneut nach Afghanistan. Ich wollte unser zweites Waisenhaus einweihen. Nach zweijähriger Bauzeit und unvorstellbaren Komplikationen war es endlich fertig geworden. Zwei Wochen zuvor waren 30 sechs- bis zwölfjährige Kinder eingezogen. 13 Mädchen, 17 Jungen, die ihre Väter oder Brüder bei dem von Oberst Klein befohlenen Luftangriff auf Kunduz verloren hatten. Ich freute mich sehr auf das Heim. Vielleicht war doch nicht alles sinnlos, was ich unternommen hatte.
    An unserem ersten Morgen in Kabul bummeln wir über die Märkte. Merkwürdigerweise traut sich kaum ein Westler dorthin. Wenn unsere Politiker in ihren gepanzerten Fahrzeugen durch die Stadt fahren, lassen sie sich von Antiterrorkommandos begleiten. Das wirkliche Leben von Kabul entdecken sie so nie.
    Im Gewühl der Menschen ziehen wir über den »Mandahi«, den bekanntesten Markt Kabuls. Frédéric kauft zehn Bananen für einen Dollar. Sie schmecken köstlich. Dann geht es durch die winzigen Gassen des Vogelmarkts. Tausend Vögel schmettern ihre Arien und versuchen, sich gegenseitig zu übertönen. Tief gebeugte Arbeiter zerren ihre schwer beladenen Holzkarren durch die Menge. Ein junger Ladeninhaber bietet mir ein klebrig schmutziges Glas dunklen Tees an. Trotz Frédérics Durchfallwarnung trinke ich es dankbar aus.
    Wir kommen an einer Moschee vorbei. Viele Afghanen beten auf der Straße. Fast magisch fühle ich mich zu ihnen hingezogen. Aber Frédéric meint, heute sei kein guter Tag. Am Vormittag hatte es am US -Camp Eggers einen Selbstmordanschlag gegeben. Der Attentäter hatte zwei einheimische Wachmänner mit in den Tod gerissen. An solchen Tagen sollte man als Ausländer nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Häufig kommt es zu Folgeanschlägen. Das war wohl auch der Grund, warum heute Morgen Schützenpanzer mein Hotel umstellt hatten.
    Doch die Menschen, die uns begegnen, sind hilfsbereit und zuvorkommend. Vielleicht auch dankbar, dass wenigstens ein paar Ausländer durch ihre Stadt bummeln, die einst eine weltberühmte Touristenattraktion war. Die mehr als 30 Jahre Krieg und Bürgerkrieg haben das Land um hundert Jahre zurückgeworfen. Wenn ich durch Kabul schlendere, fühle ich mich in längst vergangene Zeiten versetzt.
    Immer wieder sehen wir beinamputierte Männer, werden von bettelnden Kindern und Frauen umringt. Zwischen Obst- und Fleischständen huschen Frauen in hellblauen Burkas umher. Doch dieser federleichte Überwurf aus alter paschtunischer Zeit ist nicht das Hauptproblem Afghanistans. Wer das behauptet, weiß nichts vom Leid und Elend dieses Landes.
    Den Abend verbringen wir in einem »Schafsrestaurant« im Stadtteil Schar-e-Nau. Dekorativ hängen Schafshälften im Schaufenster. Nachdem wir eine ausgesucht

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