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Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Titel: Du stirbst nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Schmidt
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sie mühsam und gegen den eigenen Willen (eigentlich nur, um den Nachbarn zu Willen zu sein) angelegt hatte. Wahrscheinlich hatte die Wut darüber, dass sie sich dazu hatte aufstacheln lassen, das Ihrige beigetragen zu den Anti-Kater-Aktionen, denn sie mochte Katzen. Als Kind hatte sie die Vorbehalte ihrer Mutter außer Kraft gesetzt, als sie ihrer jüngsten Schwester ein Kätzchen mit hellblauer Riesenschleife um den Hals zum Geburtstag schenkte – sie hatte gewusst, dass der Vater dafür sein würde, und sich stark gefühlt. Immer war sie ängstlich darauf bedacht gewesen, die Story nicht etwa ihren eigenen Kindern zu erzählen, sie hatten schließlich bis zum Einzug in die Arberstraße in Neubau-Mietwohnungen gelebt. Frau Wierbel jedenfalls liebt als einzigen Menschen ihren Kater. Helene schaut ihr hinterher, wie sie langsam in Richtung Supermarkt verschwindet.
Eigentlich ist so ein Rollator zum Einkaufen gar nicht schlecht, man kann im Korb eine ganze Menge unterbringen. Wie zum Beweis legt Fips eine große Plastiktüte voller Äpfel hinein und obenauf eine Schachtel Mon Cheri. Später in der Küche erzählt Matthes, dass Fips die Äpfel im eigenen Garten geerntet hat. Fips hatte eine Sonder-Baugenehmigung beantragt, um den Baum stehen lassen zu können: Eigentlich hat jedes Haus im Abstand von fünf Metern zum Straßenzaun zu stehen. Der große, alte Apfelbaum hätte für diesen Abstand gefällt werden müssen. Erst nach einem personellen Wechsel im Bauamt wurde ihnen genehmigt, ihr Haus in acht Metern Entfernung zur Straße zu errichten. Sicher hatten sie auch deshalb Glück, weil ihr Grundstück das letzte in der Straße ist und bleiben wird, denn dann kommt Bahngelände. Jetzt hat sie sich nicht durch interessiertes Hinschauen vorm Zuhören gedrückt, und die Frage folgt auf dem Fuße: Will sie das alles wissen? Will sie nicht. Sie nimmt sich vor, die Gelegenheit abzuwarten, mit Matthes die Frage ihrer Kapazität zu besprechen.
Ja, Kapazität. Das ist es.
Ach Billy … Er kommt aus seinem Zimmer herunter und begrüßt Helene mit solch überschäumender Freude, dass ihr sehr wohl wird. Wenn einem ein Kind sehr ans Herz wächst, fühlt man sich den anderen gegenüber nicht sofort schuldig, aber später schon. Hat man Zeit und Gelegenheit, darüber nachzudenken, kommen einem die fünf Kinder so unterschiedlich vor wie die Liebe zu ihnen. Die Jungen behandelt sie viel … respektvoller? Ja. Sie kann sich in deren Identität nicht so einfühlen wie in die der Töchter, glaubt sie. Zu den Mädchen besteht diese Schranke nicht, und auch die pubertären Auseinandersetzungen mit ihnen waren und sind scharfkantiger, gingen und gehen ihr eher an die Substanz. Statt den Jungen eine zu kleben, hatte sie in den Jahren ihrer Ehe oft genug kapituliert. Dass die Hand nicht immer festsitzt, weiß sie, seit Bengt vier Jahre alt war. Ein trotziges, selbstbewusstes Kind, das seine eigenen Interessen stark und still durchzusetzen versuchte. Als Helene begonnen hatte, in Henrichshorst zu arbeiten, war sie als alleinerziehende Mutter ganz auf sich allein gestellt gewesen. Matthes gab nun schon jahrelang vor, sie zu lieben, hatte aber etwas wie eine Trennung von seiner Frau wieder und wieder vertagt. Dass er wenige Monate später endgültig bei ihr einziehen würde, ahnte sie damals nicht. Zeiten, in denen sie versuchte, den beiden Söhnen beizustehen beim Überleben mit hoffnungsloser Mutter. Eines Tages zur Mittagszeit, sie wähnte Bengt wie immer im Kindergarten, hatte die Frau eines Arztes, der im Ärztehaus lebte, den Jungen zu ihr in die Sprechstunde gebracht: Sie hätte das Kind nun schon den dritten Tag beobachtet, wie es unter ihrem Fenster stundenlang im Sandkasten spielte, ob das so richtig sei? Es hätte sich zwischendurch zu essen genommen aus der Brottasche und dann weitergebaut an riesigen Murmelbahnen. Den dritten Tag! Erstarrung. Sprachlos hatte sich Helene zu fassen versucht. Weil sie Billy mit dem Fahrrad zur Tagesmutter bringen musste, hatte sie Bengt mit einem Küsschen stets an der Ecke der Straße, die zum Kindergarten führte, verabschiedet und war weitergefahren. Bengt, der nie über Kindergartenunlust klagte, hatte offenbar abgewartet, bis Helene nicht mehr zu sehen gewesen war, und sich dann stillvergnügt auf den Heimweg gemacht, hatte sich unter den Fenstern des Ärztewohnhauses in den Sandkasten gesetzt, der von der Poliklinik aus nicht einsehbar war, und abgewartet, bis andere Kinder aus dem

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