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Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Titel: Du stirbst nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Schmidt
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sich ein Halbstündchen ausmachen mit Matthes allein in der Küche, für einen Tee, zu dem sie beide nichts Allfälliges sagen mussten, aber die vergehende Zeit vielleicht doch noch anstachelten, Wort um Wort unter der Oberfläche hervorzuholen, sie kannte solche Teestunden aus früheren Jahren, stets gutgetan hatten sie ihnen …
Na los, fahren wir!
Sie sagt es einigermaßen entschlossen, auf ihrem Gesicht haben noch die Bedenken die Oberhand. Aber nachfragen muss sie ohnehin erst, eigentlich sind Wochenendurlaube vorher anzukündigen und zu genehmigen, wer weiß, ob sie das hier auch so lax handhaben wie auf der stroke unit . Zieht also los, die Kinder im Schlepptau. Im Schwesternzimmer sind alle ausgeflogen, wo findet sie jemanden, den sie fragen kann? Sie läuft den Stationsflur auf und ab, bis endlich eine der Schwestern sich zeigt, sie kommt aus einem Zimmer, deren Bewohner offenbar entlassen worden sind und das wieder hergerichtet werden muss. Sichtlich gestört fühlt sie sich durch Helene, rempelt sie sogar wie zufällig, den Arm voller dreckiger Bettwäsche, an. Helene gerät ins Stottern, das ist selten inzwischen, aber was hilft’s, der Wunsch muss raus. Nun scheint sie gar nicht mehr unwillig, scheint sich eher zu freuen über die Aussicht, heute eine Patientin weniger versorgen zu müssen. (Dabei fragt sich Helene, was an ihr zu versorgen sei, sie macht doch alles selbst!) Wann zurück? Nicht später als 17 . 45 Uhr, dass das klar ist! Helene hätte gern salutiert, traut sich jedoch nicht, den Rollator loszulassen. Das Zucken aber hat sie bemerkt, das ihr von unten nach oben durch den Körper schoss wie ein Angelhaken mit Sehne, die jetzt die ganze Wirbelsäule in die Länge zieht. Schön aufrecht steht sie vor der Schwester, jawoll! , als der Haken durch eines der Löcher in der Schädeldecke wieder austritt und die Sehne mit sich zieht. Sie fällt in entspannte Haltung zurück, als die Schwester sich von ihr wegdreht, um die Bettwäsche – sie hat sie die ganze Zeit zärtlich im Arm gehalten, wie einen völlig erschlafften Bräutigam – in die bereitstehende Tonne zu drücken. Helene dirigiert die Mädchen zurück, Lottchen springt auf die Ablagestufe des Rollators und lässt sich schieben. Ist fröhlich, meint aber, der Rollstuhl sei viel besser gewesen.
Gehäcker, Gemecker, Gekäcker.
Mitnehmen möchte sie nichts außer der kleinen Handtasche, die Matthes ihr am ersten Tag ihres Krankenhausaufenthaltes gebracht haben will. Papiere darin, das Portemonnaie. Die muss sie sich aber aus dem Safe herausgeben lassen, ein schwieriges Unterfangen, wenn die Rezeption unbesetzt ist. Ach, was braucht sie Papiere, lässt sie das Täschchen eben da.
Schon sitzen sie im Auto. Fips ist sichtlich unsicher, weiß nicht so recht, in welchem Zustand sie sich befindet und wonach er unverfänglicherweise fragen kann, aber Mareile und Lottchen springen in die Bresche mit dickem Streit. Worum es geht, ist wie immer nicht klärbar. Wahrscheinlich hat Matthes nicht schlecht Lust, Lottchen derb anzufassen, traut sich aber nicht, sondern redet auf sie ein, das doch zu lassen. Aber was? Sollen die doch da hinten ihren Kram selbst austragen, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Der Rollator liegt im Kofferraum und scheppert laut, beinahe rhythmisch. Im Takt des tackernden Klapperns bewegt sie die linke Hand und hat das Gefühl, die rechte mache mit, aber als sie hinschaut, hat sich dieser Eindruck erledigt. Wieder mal aus der Traum, eigentlich ist sie dabei, sich daran zu gewöhnen. Sie fragt Fips nach Frau und Kindern, und erleichtert erzählt er. Sie schaut ihn interessiert an, ohne zuzuhören, das kann sie offenbar noch immer. Ihre Kapazität ist schnell erschöpft, das weiß sie, also bietet diese Art der Gesprächsführung willkommene Gelegenheit, den anderen nicht zu brüskieren. Und Fips erzählt gern, eine Hand bleibt am Lenkrad, die andere untermalt, was er sagt. Währenddessen verliert sie sich in einem Zustand der Leere. Ist schließlich verwundert, als das Auto in der Arberstraße hält. Fips möchte nicht mit hineinkommen, packt den Rollator aus dem Kofferraum.
Aus dem Nachbargrundstück kommt die alte Frau Wierbel, und woran geht sie? Natürlich auch an so einem Ding. Sie stutzt, als sie Helene sieht, schaut aber schnell weg. Sie ist eine, die den Kontakt scheut wie ihr Kater das Wasser. Helene hat ihn im letzten Frühjahr des Öfteren verjagt, weil er sich in der Blumenrabatte zu schaffen machte, die

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