Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Das Gestern irgendwo zu begraben, wo es endgültig der Vergessenheit überantwortet wird.
Dom und ich verpacken die Kerzen und die Deko und bringen die Schachteln nach oben in den Schrank im Gästezimmer, den wir für Doms Eltern ausgeräumt hatten. Seinen gesamten Inhalt – Bücher, Papiere, Hefter mit alten Kreditkartenrechnungen und Kontoauszügen, Notizen über alte Fälle von Dom und meine alten Arbeiten – haben wir zeitweise in unserem Zimmer unterm Bett versteckt, damit seine Mutter nicht merkt, wie unordentlich wir sind. Dom bringt die Weihnachtsdekoration im obersten Fach unter, während ich anfange, den anderen Kram wieder einzuräumen.
«Wir sollten dieses ganze Zeug mal aussortieren», sagt er, «davon können wir bestimmt eine Menge wegwerfen.»
«Nicht diese Woche, Dom. Wir haben dafür keine Zeit. Wenn wir zurück sind.»
«Wollen wir es nicht einfach gleich machen? Es dauert doch nicht lange, und jetzt haben wir sowieso alles rausgeräumt.»
Ich seufze und schiebe die Unterlippe vor. «Das dauert ewig.» Er zuckt kurz mit den Schultern wie immer, wenn er findet, dass ich schwierig bin. «Na gut», sage ich. «Fang schon mal an. Ich mache uns einen Tee.»
Als ich zurückkomme, sitzt Dom im Schneidersitz auf dem Boden, auf jeder Seite einen Karton, deren Inhalt um ihn herum ausgebreitet ist. Kopfschüttelnd blättert er in einem alten Notizbuch.
«Was hast du da?», frage ich und reiche ihm eine Tasse Tee.
«Keine Ahnung, deine Handschrift kann ich nicht entziffern.»
Ich schaue mir das Notizbuch an. «Dreh es um, es ist bestimmt datiert.»
«November 2004. Madrid? Heißt das Madrid?»
«Ja, das kann weg. Alles von vor 2008 kann weg.» Ich ziehe einen dritten Karton zu mir herüber und klappe den Deckel auf. Er ist voller Papiere, Briefe und Postkarten. Ich klappe ihn wieder zu.
«Was ist dadrin?», fragt Dom.
«Zeug. Nichts, was ich wegwerfen will.»
Dom schaut mich fragend an, sagt aber nichts. Ich hebe den Karton hoch und will ihn schon in den Schrank verfrachten, als ein schmaler Streifen herausfällt. Er segelt zu Boden, und Dom hebt ihn auf. Er schaut drauf und gibt ihn mir mit einem traurigen Lächeln. Es ist ein Streifen Fotos aus einem Passbildautomaten, vier kleine Bilder in einer Reihe. Ich, Julian und Alex, ein Knäuel aus Armen und Hälsen. Wir strahlen in die Kamera, schneiden Grimassen, machen alberne Gesichter und lachen hysterisch. Auf der Rückseite steht «London, 1999». Ich lege den Streifen zurück.
«Ich stelle diesen Karton in den Kleiderschrank im Schlafzimmer», sage ich und fühle, wie Dom meinen Blick sucht.
«Morgen fahre ich nach Oxford», verkünde ich dann, um das Gespräch so schnell wie möglich wieder auf sicheres Terrain zu lenken. «Ich muss mit Annie Gardner sprechen und sie überreden, sich für Betrug interviewen zu lassen.»
Dom trinkt einen Schluck Tee. «Nic», fängt er vorsichtig an.
Ich bin sicher, dass er gleich irgendwas über die Fotos sagt, und das will ich nicht hören.
«Wir müssen auch noch das mit den Hunden regeln. Soll ich sie zu Matt bringen, oder hast du Zeit, das zu machen?»
«Nicole …»
«Ich könnte das am Mittwoch erledigen.»
«Ist das Thema damit beendet?», fragt er.
«Weißt du was?» Ich ignoriere seine Frage. «Mir ist irgendwie mehr nach Kaffee. Willst du auch einen?»
«Tee ist okay», sagt er leise und fährt fort, die Notizbücher aus meinem alten Leben zu sortieren.
Ich überlasse Dom das Chaos im Gästezimmer und beschließe, stattdessen die Küche auf Vordermann zu bringen. Ich hasse nichts mehr als Putzen, aber wenn man erst mal damit angefangen hat, ist es irgendwie befreiend. Außerdem, man muss dabei nicht viel nachdenken und kann die Gedanken schweifen lassen. Während ich schrubbe, mache ich einen Plan für die nächsten Tage. Dienstag: Interview in Oxford. Mittwoch: Kleid für die Party kaufen. Nachmittags: Friseur und Maniküre; die Hunde zu Matt und Liz bringen. Donnerstag: New York, New York …
Ich habe gerade alle matschigen Pfotenabdrücke vom Küchenboden geschrubbt, als Dom hereinkommt. In jeder Hand hat er einen großen orangefarbenen Müllsack.
«Also, hier drin sind alle Arbeitsunterlagen und Papiere bis 2008», stellt er fest. «Deine und meine. Bist du wirklich sicher, dass du sie wegwerfen willst?»
«Vollkommen.»
Er bringt die Säcke in den Wirtschaftsraum. Mick und Marianne ergreifen die Gelegenheit, an ihm vorbei in die warme Küche zu stürmen. Dabei
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