Du und ich und all die Jahre (German Edition)
hinterlassen sie eine Spur aus getrocknetem Matsch. Ich tue so, als hätte ich nichts bemerkt.
«Wollen wir morgen Abend essen gehen?», ruft Dom mir zu. «Ich dachte, wir laden Matt und Liz ein. Sie könnten über Nacht bleiben und die Hunde am Mittwoch mitnehmen. Das würde uns die Fahrt ersparen.»
Ich zögere. Die E-Mail. Ich sollte ihm von der E-Mail erzählen. Das wäre genau der richtige Moment.
«Hmmm … Ja. Ich werde wohl so gegen vier zurück sein», sage ich. Damit ist die Sache geregelt, denn so werde ich es auf keinen Fall schaffen, nach Oxford und Ledbury zu fahren und rechtzeitig wieder hier zu sein. Dad wird warten müssen. In der Zwischenzeit bleibt seine E-Mail ein Geheimnis von vielen, die ich vor meinem Mann habe.
«Soll ich einen Tisch reservieren? Hier? Wie wäre es mit dem Libanesen?»
«Einverstanden, Schatz.»
Mit finsterer Miene mustere ich den Matsch auf dem Boden, den die Hunde jetzt in der halben Küche verteilt haben. Genau deshalb hasse ich Hausarbeit: Putzen ist so verdammt sinnlos. Dabei fällt mir ein, dass ich den Ofen nicht sauber gemacht habe, obwohl er es bestimmt nötig hat, so oft, wie wir ihn in den letzten Tagen benutzt haben.
«Nicole?»
«Mhmm?»
«Ist alles in Ordnung?»
Scheiß auf den Ofen. «Ja, entschuldige bitte. Ich musste gerade an Quentin Crisp denken.»
«Wie bitte?»
«Du weißt schon: Putzen ist vollkommen unnötig, nach den ersten vier Jahren ohne wird es eh nicht mehr schlimmer.»
«Dann lass es einfach», sagt Dom und sieht sich in der Küche um. «Hier sieht doch alles sauber aus.» In unserem Spülbecken könnten Ratten schwimmen, und Dom würde es nicht mal merken. «Komm, hör dir lieber meine Rede an.»
«Worum geht’s?»
«Die Lücken im Antidiskriminierungsgesetz für Behinderte von 1995.»
«Klingt ja faszinierend», antworte ich.
«Na ja, du kannst mir entweder zuhören oder das Klo schrubben. Such’s dir aus.»
«Ich hole nur schnell die WC-Ente …», sage ich grinsend, folge ihm aber ins Wohnzimmer.
Erstaunlicherweise ist es tatsächlich ein faszinierender Vortrag. Bei Dom wird auch das langweiligste, trockenste, anstrengendste Thema interessant. So wie er komplizierte Sachverhalte erklärt und sie mit Beispielen aus dem Alltag erläutert, erweckt er jeden Stoff zum Leben. Und sein Fachgebiet – Arbeitsrecht – hat das schwer nötig.
«Toll», sage ich, als er fertig ist, und stehe vom Sofa auf, um ihm einen Kuss zu geben. «Wirklich sehr gut.»
«Findest du nicht, dass der Mittelteil über die Durchführungsbestimmungen zu lang geraten ist?»
«Nein, wirklich nicht, die Rede ist gut, so, wie sie ist. Vor wem hältst du sie noch?»
«Auf der Jahresversammlung der Anwaltskammer im Januar. Ich halte den Grundsatzvortrag, weißt du nicht mehr? Das habe ich dir doch erzählt, Nic.»
«Natürlich, jetzt erinnere ich mich.»
Er zieht die Augenbrauen hoch, weil er mir nicht glaubt. «Nein, tust du nicht.»
«Doch, tue ich.» Ich hatte keinen blassen Schimmer.
Tatsächlich bin ich unglaublich stolz auf Dom. Er ist ein sehr erfolgreicher Anwalt, mit zweiunddreißig Jahren schon Partner in seiner Kanzlei, und man bittet ihn ständig, Vorträge zu halten oder in Ausschüssen mitzuarbeiten. Manchmal schalte ich allerdings ab, wenn er über seine Arbeit spricht, und das nicht nur deswegen, weil Arbeitsrecht nicht das spannendste Thema der Welt ist. Ich bin neidisch. Es ist lächerlich, ich weiß, aber ich kann nicht anders. Wenn ich mir anschaue, wie seine Karriere immer besser läuft, kann ich dabei nur schwerlich ignorieren, dass meine eigene den Bach runtergeht. Mir ist auch klar, wie dämlich das ist, weil beides ja nichts miteinander zu tun hat: Doms Erfolg ist nicht daran schuld, dass ich keinen habe. Trotzdem tut es weh.
Mein derzeitiges Projekt, Betrug , ist ein typischer Fall. Als ich anfing, daran zu arbeiten, hat die Produktionsfirma mir gesagt, dass es ein sehr sachlicher Doku-Dreiteiler werden soll, der sich mit den «Ursachen und Folgen von Betrug in Partnerschaften und anderen Beziehungen» befasst. Natürlich wusste ich schon damals, worum es denen in Wirklichkeit ging: hässliche Scheidungen, miese Affären, gemeine Intrigen etc. Ich stellte mir das Projekt dennoch ganz interessant vor. Die Produktionsfirma hatte mir versprochen, dass ich Psychologen und Psychiater interviewen darf, lange Gespräche mit Familientherapeuten führen kann und kulturelle und historische Parallelen ziehen würde – wie die
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