Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Nachricht.
Statt nach Wimbledon zurückzukehren, wo ich mir die Haare schneiden und die Nägel machen lassen wollte, fahre ich zur Queenstown Road in Battersea. Ich parke gegenüber der katholischen Kirche und steige aus. Dann lehne ich mich an die Autotür, zünde mir eine Zigarette an und sehe zum Fenster im zweiten Stock des viktorianischen Gebäudes hinauf, neben dem ich stehe: Das war unser Schlafzimmerfenster. Aidan und ich haben uns 2002 für sieben Monate dieses Zimmer geteilt. Zugegebenermaßen waren das nicht unbedingt glückliche sieben Monate. Trotz der Nähe zum Battersea Park war die Queenstown Road eine schlechte Adresse – ist es im Grunde immer noch. Unsere Wohnung lag quasi direkt an der Bahnlinie; die Fenster klapperten jedes Mal, wenn ein Zug vorbeifuhr; in der Küche wimmelte es von Kakerlaken. Doch das wäre alles gleichgültig gewesen, wenn wir glücklich gewesen wären.
Wir waren nicht glücklich. Wir waren genau im falschen Moment zusammengezogen, genau in dem Moment, als Aidan das Fernweh wieder einmal überkam. Die Albträume, die ihn geplagt hatten, seitdem er aus dem Kongo zurück war, hatten aufgehört, er setzte die Antidepressiva langsam ab und fühlte sich wieder stark und gesund. Inzwischen war er es leid, an den Schreibtisch gefesselt zu sein. Wir hatten lange diskutiert, ob wir zusammenziehen, und dann hatte es ewig gedauert, eine Wohnung zu finden. Wir zogen genau zu dem Zeitpunkt ein, als Aidan die Füße nicht mehr stillhalten konnte. Mit mir eine Wohnung zu teilen war wahrscheinlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Julian hatte immer gesagt, dass niemand unter solchen Bindungsängsten litt wie Aidan. Er war überrascht, dass unsere Beziehung überhaupt vom Beginn des neuen Jahrtausends (ja, ja, ich weiß) bis Januar 2001 dauerte.
Aber das tat sie. Und wir waren die meiste Zeit unglaublich glücklich. Aidan machte den Schreibtischjob bei Cannon erstaunlich gern und mietete dann auch noch eine Wohnung in der Heneage Street – nur zehn Minuten Fußweg von unserer entfernt. Ebenso erstaunlich. (Ich hätte gedacht, dass er bestimmt mehr Abstand brauchte.) Nunmehr mein offizieller Freund, behandelte er mich unerwartet aufmerksam und liebevoll, schenkte mir ohne Grund Blumen, organisierte eine riesige Überraschungsparty zu meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag und entführte mich auf spontane Reisen nach Rom und Kopenhagen. Wir hatten uns immer etwas zu erzählen.
Aidan hatte sich natürlich nicht komplett verändert: Nach wie vor verschwand er von Zeit zu Zeit, ohne mir zu sagen, wohin. Wenn ich ihn dann zur Rede stellte, wich er mir aus. Außerdem trank er wieder gelegentlich zu viel, und er konnte die Augen nicht von hübschen Mädchen lassen, die uns in Restaurants begegneten. Andererseits gaffte auch Julian jeden hübschen Kellner an, wenn wir essen gingen. Vielleicht war das erblich? Aidan war sicher nicht perfekt, aber ich habe mich niemals mit ihm gelangweilt. Nie an einen anderen Mann gedacht. Ich wusste einfach, dass er der Richtige war.
Aidan inspirierte mich. Seit der Nacht am Strand in Kapstadt, als er mir seine Geschichten erzählt hatte, von seinen Abenteuern berichtet hatte, wusste ich, was ich im Leben machen wollte. Ich wollte das Gleiche tun wie er. Aidan hatte mir erst gezeigt, wie es sein konnte, und dann, Jahre später, zeigte er mir, wie es gemacht wurde. Wir haben nie zusammen gearbeitet, nie für die gleiche Firma, aber wir haben immer gemeinsam gearbeitet. Er brachte mir bei, wie man schneidet, und hat mir geholfen, ein Auge für Regie zu entwickeln. Ich habe von ihm mehr darüber gelernt, wie man zum Kern einer Geschichte vorstößt, als von jedem meiner Chefs und in jedem Seminar. Es war aufregend, wenn wir uns Projekte ausdachten, an denen wir gemeinsam arbeiten wollten. Und Aidan war genauso Feuer und Flamme wie ich. Zumindest eine Zeitlang.
Ich trete meine Zigarette aus, werfe einen letzten Blick auf mein früheres Zuhause und steige wieder ins Auto. Zusammenzuziehen überforderte unsere Beziehung. Kaum hatten wir den Vertrag für die miese kleine Wohnung unterschrieben, konnte ich fühlen, wie Aidan mir entglitt.
Ich fahre endlich zurück nach Wimbledon und mache noch einen kleinen Umweg (über Harvey Nichols in dem erfolglosen Versuch, ein Kleid für Karls Party zu ergattern). Kurz nach zwei bin ich zu Hause, die Hunde begrüßen mich enthusiastisch. Mein Mann nicht. Ich gehe in die Küche, koche Tee und warte darauf, dass
Weitere Kostenlose Bücher