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Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Titel: Du und ich und all die Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Silver
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stand ein nackter Mann, präsentierte mir seinen Rücken und blockierte den Weg.
    «Hallo», sagte ich.
    «Oh, hallo», antwortete der Unbekannte und drehte sich zu mir um. Dabei hielt er ein Küchenhandtuch mit dem Konterfei der Queen vor die wichtigen Stellen. Ein Sex-Pistols-Küchenhandtuch. Julian hatte es irgendwo aufgetrieben. «Ich bin Karl», sagte er mit deutschem Akzent.
    «Nicole», antwortete ich.
    «Ich habe schon viel von dir gehört.» Es schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern, dass er nackt war. Vielleicht war das typisch deutsch.
    «Du warst gestern Abend also im Fabric?»
    «Genau. War sehr lustig.» Er sah gut aus, war gut in Form, seinen Waschbrettbauch zierte ein Tattoo, das teilweise vom Gesicht der Queen verdeckt wurde. Schwer zu sagen, ob er bei Julian oder bei Alex die Nacht verbracht hatte, und ich wollte Karl nicht in Verlegenheit bringen, indem ich nachfragte. Das Wasser fing an zu kochen.
    «Möchtest du eine Tasse Kaffee?», fragte er und wandte mir wieder seine perfekt modellierte Kehrseite zu.
    «Nein, vielen Dank.» Ich wollte ihn lieber nicht dazu nötigen, das Küchenhandtuch aus der Hand zu legen. «Ich hole mir lieber ein Glas Saft.»

    Ich ging zurück ins Bett. Als ich wieder aufwachte, schien die Sonne hell zum Fenster herein, der Himmel war eisblau. Ich zog das The-Cure-T-Shirt und eine Jogginghose an, dann steckte ich den Kopf zur Tür hinaus. Aus Alex’ Zimmer drang gedämpftes Gelächter. Ich schlich mich zu ihrer Tür und lauschte für einen Augenblick. Drinnen waren die Stimmen von Alex und Julian zu hören, von niemandem sonst. Also öffnete ich die Tür. Die beiden lagen auf dem Bett, Alex lehnte an dessen Kopfteil, Julian hatte den Kopf auf ihren Bauch gelegt.
    «Da bist du ja endlich!», rief Jules.
    «Ich hatte Angst, mein Zimmer zu verlassen. Mir hätten ja noch mehr nackte Männer in die Arme laufen können», antwortete ich. «Wer von euch ist für den verantwortlich?» Dann fügte ich mit leiserer Stimme hinzu: «Scheiße, er ist doch nicht mehr hier, oder?»
    «Nein, er ist weg», versicherte Julian, «und du musst deinen Gaydar in die Werkstatt bringen.»
    «Deiner also?»
    «Natürlich. Ich denke, du hast ihn nackt gesehen? Heterojungs haben nicht solche Körper. Heterojungs haben auch nicht solche Piercings.»
    «Ich habe kein Piercing bemerkt», sagte ich.
    «Na ja, du warst wahrscheinlich nicht so nahe an ihm dran wie ich», antwortete Julian grinsend.
    Ich wurde rot. «Das Piercing wurde wohl von Ihrer Königlichen Hoheit verdeckt. Aber auch ohne war er sehr attraktiv.»
    «Ja, nicht wahr?»
    «Und du, Fräulein?» Ich drehte mich zu Alex um. «Was hast du vorzuweisen?»
    «Ich für meinen Teil habe drei Zettel mit Telefonnummern eingeheimst – eine von einem professionellen Rugby-Spieler –, aber nach Hause gegangen bin ich allein, weil ich im Gegensatz zu euch zwei Schlampen noch so was wie Würde und Selbstachtung besitze.»
    «Ich bin keine …», wollte ich protestieren, doch die beiden fingen wieder an zu lachen.
    «Lass mal, wir haben deine Unterwäsche letzte Nacht in der ganzen Wohnung verteilt gefunden», sagte Julian. «Du Hure.»
    «Wo steckt er überhaupt?», wollte Alex wissen. «Wartet er darauf, dass du ihm Frühstück ans Bett bringst?»
    «Ich habe ihn rausgeworfen, sobald ich wach war», antwortete ich. Dabei warf ich Alex einen triumphierenden Blick zu. «Und zwar ohne Frühstück. Kein Ei, kein Schinkenbrot. Nichts. Ich habe ihm gesagt, dass ich Zeit zum Nachdenken brauche. Und dass –»
    Doch Alex hörte schon nicht mehr zu. «Schinkenbrot!», schrie sie, schubste Julian von sich herunter und sprang auf. «Bitte, bitte, bitte sagt mir, dass wir Schinken im Haus haben.»

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    9. Kapitel
    28. Dezember 2011
    Um kurz nach neun verlasse ich das B&B und fahre zu Dad. Auf dem Weg dorthin kaufe ich bei Starbucks noch Kaffee und Muffins. Dad kommt mir an der Tür entgegen. Heute sieht er viel fröhlicher aus, gesünder und scheint wesentlich besser gelaunt zu sein als gestern Abend. Meine eigene Laune verbessert sich schlagartig. Es war richtig, dass ich hergekommen bin; Dom muss das einsehen. Okay, ich habe es wie immer falsch angefangen, aber er weiß, dass mir die emotionale Intelligenz fehlt. Ich glaube, dass er sich gerade deshalb von Anfang an zu mir hingezogen gefühlt hat. Es macht mich verletzlich.
    «Ich muss dir etwas zeigen, Nicole», sagt Dad, während er mich in die Küche schiebt. Dort liegt

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