Du und ich und all die Jahre (German Edition)
frühstücken und steigen wieder in den Zug. Wäre doch albern, für ein paar Stunden Schlaf Zimmer im George Cinq zu nehmen, oder?»
«Ich verlange ja nicht gleich das George Cinq, Alex», erwiderte er missmutig, «mit einem sauberen Zimmer wäre ich schon zufrieden.»
Mikes Weigerung, positiv zu bleiben, mochte unangenehm sein, doch in diesem Fall hatte er nicht unrecht, wie Aidan und ich feststellten, als wir einen Blick in unser Zimmer warfen. Die Fenster, die auf einen eher trostlosen Hinterhof hinausgingen, waren dreckig. Der Teppich war abgewetzt, und im Badezimmer roch es seltsam.
«So schlimm ist es auch wieder nicht», sagte ich halbherzig.
Aidan zuckte mit den Schultern. «Ich hab schlimmere Zimmer gesehen.»
Kein vielversprechender Anfang für unsere Zeit in Paris.
Weil wir uns nicht länger als nötig im Hotel aufhalten wollten, luden wir sechs unser Gepäck in den Zimmern ab und trafen uns unten in der Lobby wieder. Mike schlug vor, etwas trinken zu gehen. Alex wollte in die Galeries Lafayette und ein bisschen shoppen. Julian und Karl ins Musée Rodin.
«Und was möchtest du gerne machen?», fragte ich Aidan.
Er zuckte mit den Schultern. «Ich bin entspannt», meinte er, sah aber gar nicht danach aus. Im Gegenteil: Nervös traf es eher. Ich nahm seine Hand.
«Also», sagte ich, nachdem ich meinen Stadtplan zu Rate gezogen hatte, «warum gehen die Kunstliebhaber nicht ins Musée Rodin, Alex und ich machen eine kurze Shoppingtour, und danach treffen wir uns alle wieder und trinken etwas zusammen?»
«Das klingt vernünftig», sagte Julian. «Wo wollen wir uns treffen?»
«Wie wäre es im Marais?», schlug Karl vor. «Dort gibt es jede Menge schöne Bars.»
«Ist das nicht das Schwulenviertel?», fragte Mike. Julian zuckte zusammen, sagte aber nichts.
«Vielleicht ein wenig ab vom Schuss», sagte ich, um zu vermitteln, «wenn man bedenkt, dass wir hinterher hierher zurückkommen müssen, um uns für die Party umzuziehen.»
«Seht mal, dort an der Ecke ist eine Bar, am Ende dieser Straße», stellte Mike fest. «Die tut es doch auch.» Wir musterten das erbärmliche Café Tabac mit der verschlissenen roten Markise.
«Um Himmels willen, nur das nicht», sagte Julian. Mike brummte verärgert. Aidan gähnte.
«Wir treffen uns in der Buddha Bar am Place de la Concorde», entschied Alex. «Seht mal», sagte sie dann und zeigte mit dem Finger auf den Stadtplan. «Dorthin sind es vom Rodin-Dingsda aus etwa zwanzig Minuten zu laufen und fünf Minuten von Hermès. Das liegt genau richtig. Wir treffen uns um sechs.»
Alex, Julian, Karl und ich machten uns auf den Weg zur Métro, Aidan und Mike blieben unschlüssig auf dem Gehweg stehen. Mir war vollkommen klar, dass Aidan lieber den Nachmittag mit Jules im Museum verbracht hätte als damit, mit Mike einen zu trinken. Es war seltsam höflich von ihm hierzubleiben. Sah ihm gar nicht ähnlich.
Alex und ich probierten kurze Zeit später in den Galeries Lafayette Kleider an.
«Wenn wir nachher auf die Party gehen, sind Aidan und Mike bestimmt schon zu», sagte sie. «Oh Gott, ich hoffe nur, dass Mike nicht anfängt, sich über die käsefressenden Weltkriegskapitulierer zu beschweren. Er hat nicht viel für die Franzosen übrig, weißt du.»
«Das ist mir nicht entgangen.»
«Und was ist überhaupt mit Aidan los? Er war so still während der Fahrt. Überhaupt nicht er selbst.»
«Ich glaube, er ist nur aufgeregt.»
«Hat er Angst, dass wir ihn vor den beiden Franzosen blamieren?»
«Etwas in der Art.»
Die Stimmung in der Buddha Bar war gedrückt. Zum Glück hatten Aidan und Mike noch nicht zu viel getrunken. (Sie waren ein paar Stunden lang «ziellos herumgelaufen», wie Aidan sagte.) Karl erzählte begeistert vom Rodin-Museum; Julian war schweigsam. Wahrscheinlich war er noch immer verärgert über die «Schwulenviertel»-Bemerkung von Mike. Alles in allem versprach die Reise nicht unbedingt ein großer Spaß zu werden.
Aber wir hatten das Hauptereignis ja noch vor uns, und ich war entzückt von meinen Einkäufen: Ein Kleid mit einem hübschen Muster im Stil der Sechziger und ein Paar Mary Janes. Très chic , fand ich. In unserem Hotelzimmer sah Aidan mir beim Umziehen zu.
«Du siehst süß aus», sagte er, als ich fertig war, und legte mir von hinten die Arme um die Taille. Ich hatte auf etwas wie «umwerfend schön» gehofft, aber süß war in Ordnung. Er küsste mein Haar. «Du siehst wundervoll aus.» Das hörte sich schon besser an, auch
Weitere Kostenlose Bücher