Du und Ich
Caserta zu mir.
Um mich zum Spielen zu bringen, ließen meine Eltern Au-pair-Mädchen kommen. Doch ich spielte lieber allein. Ich machte die Tür zu und stellte mir vor, mein Zimmer wäre ein Würfel, der durch den leeren Raum fliegt.
Die Probleme fingen in der Grundschule an.
Ich habe nur wenige Erinnerungen an diese Zeit. Ich erinnere mich an die Namen meiner Lehrerinnen, an den Oleander auf dem Hof, die silbrigen Schalen voller dampfender Makkaroni in der Mensa. Und an die anderen.
Die anderen waren all jene, die nicht meine Mutter, mein Vater und meine Nonna Laura waren.
Wenn die anderen mich nicht in Ruhe ließen, wenn sie mir zu nahe kamen, stieg ein roter Strom meine Beine hoch, überschwemmte meinen Magen, floss bis in meine Fingerspitzen, und ich ballte die Fäuste und reagierte.
Als ich Giampaolo Tinari von der Mauer stieß und er mit dem Kopf auf den Beton fiel und die Wunde auf der Stirn genäht werden musste, haben sie zu Hause angerufen.
Im Lehrerzimmer sagte die Lehrerin zu meiner Mutter: »Er wirkt wie einer, der am Bahnhof steht und auf den Zug nach Hause wartet. Er stört niemanden. Doch wenn ein Mitschüler ihn ärgert, schreit er, läuft vor Wut rot an und wirft mit allem, was er zu fassen bekommt.« Die Lehrerin hatte verlegen zu Boden geschaut. »Manchmal macht er einem Angst. Ich weiß nicht … Ich würde Ihnen raten …«
Meine Mutter brachte mich zu Professor Masburger. »Du wirst sehen, er hilft vielen Kindern.«
»Wie lange muss ich denn da bleiben?«
»Eine Dreiviertelstunde. Zweimal in der Woche. In Ordnung?«
»Das geht ja«, sagte ich.
Wenn meine Mutter glaubte, so würde ich wie die anderen, war mir das recht. Alle, einschließlich meiner Mutter, sollten denken, dass ich normal war.
Nihal brachte mich hin. Eine dicke Sekretärin mit einem Parfüm, das nach Bonbons duftete, führte mich in ein Zimmer mit niedriger Decke, wo es feucht roch. Das Fenster ging auf eine graue Mauer hinaus. An den braunen Wänden hingen alte Schwarz-Weiß-Fotos von Rom.
»Liegen denn hier alle drauf, die Probleme haben?«, fragte ich Professor Masburger, als er auf eine gepolsterte Liege mit ausgebleichtem Brokatstoff zeigte.
»Gewiss. Alle. So spricht es sich leichter.«
Perfekt. Ich würde so tun, als wäre ich ein normales Kind mit Problemen. Es war nicht schwer, sie zu täuschen. Ich wusste genau, wie die anderen dachten, was ihnen gefiel und was sie sich wünschten. Und wenn das, was ich wusste, nicht genügte, würde diese Liege, auf der ich mich ausstreckte, wie ein warmer Körper, der Wärme auf einen kalten Körper überträgt, die Gedanken der Kinder, die vor mir hier gelegen hatten, auf mich übertragen.
Und so erzählte ich ihm von einem anderen Lorenzo. Einem Lorenzo, der sich schämte, mit den anderen zu sprechen, aber der wie die anderen sein wollte. Es gefiel mir, so zu tun, als würde ich die anderen mögen.
Wenige Wochen nach Beginn der Therapie hörte ich meine Eltern im Wohnzimmer leise reden. Ich ging ins Arbeitszimmer, nahm ein paar Bücher aus dem Regal und presste mein Ohr an die Wand.
»Was hat er denn nun?«, fragte Papa.
»Eine narzisstische Störung, hat er gesagt.«
»In welchem Sinn?«
»Er sagt, Lorenzo sei unfähig, Empathie für andere zu empfinden. Für ihn existiere nichts außerhalb seines emotionalen Kreises, nichts löse bei ihm etwas aus. Er glaube, außergewöhnlich zu sein und dass nur außergewöhnliche Menschen wie er selbst ihn verstehen könnten.«
»Weißt du, was ich denke? Dass dieser Masburger ein totaler Trottel ist. Mir ist noch nie ein Junge begegnet, der liebevoller ist als unser Sohn.«
»Das stimmt, aber er ist nur zu uns so, Francesco. Lorenzo denkt, wir seien außergewöhnliche Menschen, und betrachtet alle anderen als unter seinem Niveau.«
»Ist er ein Snob? Will der Professor uns das sagen?«
»Er sagt, er habe ein übergroßes Ego.«
Mein Vater fing an zu lachen. »Zum Glück. Stell dir nur vor, er hätte ein armseliges Ego. Es reicht, wir befreien ihn aus den Händen dieses unfähigen Professors, bevor er ihn wirklich durcheinanderbringt. Lorenzo ist ein normaler Junge.«
»Lorenzo ist ein normaler Junge«, wiederholte ich.
Mit der Zeit habe ich verstanden, wie ich mich in der Schule benehmen musste: mich abseits halten, aber nicht zu sehr, sonst fiel ich auf.
Ich war wie eine Sardine zwischen anderen Sardinen, tarnte mich wie ein dürres Insekt zwischen trockenen Zweigen. Und ich lernte, meine Wut zu kontrollieren.
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