Du und Ich
Ich entdeckte, dass ich einen Tank im Magen hatte, und wenn er voll war, ließ ich ihn durch die Beine abfließen, und die Wut endete in der Erde, drang ins Innere der Welt ein und verzehrte sich im ewigen Feuer.
Nun nervte mich niemand mehr.
In der Mittelstufe wurde ich aufs St. Joseph geschickt, eine englische Schule voller Kinder von Diplomaten, in Italien verliebter Künstler, vermögender amerikanischer und italienischer Manager, die sich das Schulgeld leisten konnten. Hier waren alle fehl am Platz. Sie sprachen unterschiedliche Sprachen und schienen auf der Durchreise. Die Mädchen blieben für sich, und die Jungen spielten auf einer großen Wiese vor der Schule Fußball. Mir ging es gut.
Doch meine Eltern waren nicht zufrieden. Ich musste Freunde haben.
Fußball ist ein schwachsinniges Spiel, alle rennen hinter einem Ball her, doch den anderen gefällt es. Wenn ich dieses Spiel lernte, war es geschafft. Ich würde Freunde haben.
Ich nahm meinen Mut zusammen und stellte mich ins Tor, wo niemand reinwollte, und entdeckte, dass es gar nicht so übel war, es gegen gegnerische Angriffe zu verteidigen. Es gab da einen gewissen Angelo Stangoni, dem niemand den Ball abjagen konnte, wenn er ihn erst einmal hatte. Er tauchte blitzschnell vor dem Tor auf und hatte einen wahnsinnig starken Schuss. Eines Tages bringen sie ihn mit einem Tritt zu Fall. Elfmeter. Ich baue mich in der Mitte vom Tor auf. Er nimmt Anlauf.
Ich bin kein Mensch, sage ich mir, ich bin ein Gnuzzo, ein potthässliches und irrsinnig geschicktes Wesen, erzeugt in einem umbrischen Laboratorium, das nur eine einzige Aufgabe im Leben hat und dann in Ruhe sterben kann: die Erde gegen einen tödlichen Meteoriten verteidigen.
Und Stangoni schoss mit aller Kraft und zielte direkt auf die rechte Seite, und ich sprang, wie nur ein Gnuzzo springen kann, und streckte die Arme aus, und der Ball war in meinen Händen, und ich hatte ihn gehalten.
Ich erinnere mich, dass meine Kameraden mich umarmten, und das war schön, weil sie glaubten, ich wäre einer von ihnen.
Sie nahmen mich in die Mannschaft auf. Jetzt hatte ich Kameraden, die mich zu Hause anriefen. Meine Mutter meldete sich und freute sich, sagen zu können: »Lorenzo, es ist für dich.«
Ich sagte, ich ginge zu meinen Freunden, doch in Wirklichkeit versteckte ich mich bei meiner Nonna Laura. Sie lebte mit Pericle, einem alten Basset, und Olga, der russischen Pflegerin, in einer Dachwohnung in unserer Nähe. Wir verbrachten die Nachmittage damit, Canasta zu spielen. Sie trank Bloody Marys und ich Tomatensaft mit Pfeffer und Salz. Wir hatten einen Pakt geschlossen: Sie deckte meine Geschichte mit den Freunden, und ich erzählte nichts über die Bloody Marys.
Doch die Mittelstufe war bald vorbei, und mein Vater rief mich in sein Arbeitszimmer. Als ich im Sessel saß, sagte er zu mir: »Lorenzo, ich habe gedacht, es wird Zeit, dass du auf ein staatliches Gymnasium gehst. Es reicht mit diesen Privatschulen für Muttersöhnchen. Sag mal, magst du lieber Mathematik oder Geschichte?«
Ich warf einen Blick auf all seine dicken Bände über die alten Ägypter und die Babylonier, die ordentlich im Bücherregal aufgereiht standen. »Geschichte.«
Er gab mir einen zufriedenen Klaps. »Ausgezeichnet, alter Freund, wir haben den gleichen Geschmack. Du wirst sehen, das humanistische Gymnasium gefällt dir.«
Als ich am ersten Schultag vor dem staatlichen Gymnasium ankam, wäre ich fast ohnmächtig geworden.
Das war die Hölle auf Erden. Da waren Hunderte von Schülern. Es wirkte, als wollten alle zu einem Konzert. Einige waren sehr viel älter als ich. Sogar mit Bart. Die Mädchen mit Busen. Alle auf Mopeds, mit Skates. Manche rannten. Manche lachten. Manche schrien. Manche gingen in die Bar, manche kamen heraus. Einer kletterte auf einen Baum und hängte den Rucksack eines Mädchens an einen Ast, und die warf mit Steinen nach ihm.
Die Angst raubte mir den Atem. Ich lehnte mich gegen eine Mauer voller Kritzeleien und Zeichnungen.
Warum musste ich zur Schule gehen? Warum war die Welt so? Du wirst geboren, gehst zur Schule, arbeitest und stirbst. Wer hatte beschlossen, dass es so richtig war? Konnte man nicht anders leben? Wie die Urmenschen? Wie meine Nonna Laura, die als Kind von Lehrern, die zu ihr ins Haus kamen, unterrichtet worden war? Warum konnte ich es nicht auch so machen? Warum ließen sie mich nicht in Ruhe? Warum musste ich wie alle anderen sein? Warum konnte ich nicht für mich allein in den
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