Du wirst noch an mich denken
sich, ob es sein Bruder wusste.
Und er fragte sich, ob er infolge des Sauerstoffmangels das Bewusstsein verlieren würde, bevor er eine Chance hatte, es herauszufinden. Ihm begann bereits schwindlig zu werden.
»James, bitte«, sagte Aunie mit leiser, eindringlicher Stimme. »Er ist dein Bruder, und du tust ihm weh!«
James sah sie an, sah das Entsetzen in ihren Augen, und der rote Nebel begann sich zu lichten. Langsam zog er seinen Arm zurück und ließ Wills Haare los. Mit einem tiefen Atemzug trat er ein paar Schritte zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, ohne dabei auch nur eine Sekunde den Blick von Aunie zu wenden.
Dann drehte er sich auf dem Absatz um, stürmte aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu.
Will lehnte an der Wand und holte vorsichtig Luft. Er blickte zu Aunie, sah ihre Verwirrung, ihr Entsetzen und ihren Abscheu, und er schämte sich aufrichtig dafür, dass sie seine Bemerkungen mit angehört hatte. Die Ryder-Brüder lernten für gewöhnlich keine solchen Frauen wie sie kennen, und als Entschuldigung für seine abfälligen Äußerungen konnte er nur anführen, dass er von Jimmys Reaktion enttäuscht gewesen war - und das war vermutlich keine besonders gute Entschuldigung.
»Tut mir Leid«, sagte er und stieß sich von der Wand ab. »Was ich über Sie und Jimmy gesagt habe, war ziemlich daneben, und ... na ja, es tut mir eben Leid.«
Plötzlich schien sie sich wieder daran zu erinnern, was er gesagt hatte, und eine dunkle Röte überzog ihr Gesicht, während sie den Kimono enger um sich zog. Will kam sich gleich noch schäbiger vor. Diese Frau konnte einem Mann wirklich das Gefühl vermitteln, dass er das niederste aller Lebewesen war. Es war ihm rätselhaft, wie Jimmy das aushielt. Aber andererseits reagierte sein Bruder vielleicht nicht genauso auf diese Ausstrahlung von Unschuld wie er. »Also, ich gehe dann mal wieder«, sagte er. »Es war eine dumme Idee von mir, überhaupt herzukommen. Jimmy hatte schon immer so eine moralische Ader ... Ich glaube, das hat er von Otis' Mutter. Ich hätte daran denken sollen, bevor ich ihm gesagt habe, wofür ich das Geld brauche.«
»Ist das das Einzige, was Sie bedauern?«, fragte Aunie verwundert. »Dass Sie James nicht angelogen haben, als es darum ging, wofür Sie das Geld brauchen?«
Ihr ehrliches Erstaunen weckte in Will etwas, auf das er keinen besonders großen Wert legte ... Gewissensbisse. »Hey, solche Unfälle passieren eben«, sagte er verteidigend.
»Mir kommt es so vor«, erwiderte Aunie ruhig, »dass sie vor allem Leuten passieren, die nichts tun, um sie zu verhindern.«
»Kann schon sein, aber Fakt ist, Lady, dass Lana schwanger ist, dass keiner von uns beiden das Kind will und dass wir uns auf die eine oder andere Art um eine Abtreibung kümmern müssen!«
»Dann tun Sie das«, sagte Aunie und zuckte leicht mit einer Schulter. »Es ist Ihre Sache, wie Sie sich entscheiden, und es ist Ihr gutes Recht, diese Entscheidung zu treffen. Aber es lässt sich darüber streiten, ob Abtreibung ein geeignetes Mittel zur Geburtenkontrolle ist, und statt andere Leute da mit hineinzuziehen, warum finanzieren Sie Ihre Entscheidung nicht auf die altmodische Art und verdienen das Geld dafür selbst?«
»So kann nur jemand reden, der noch nie in seinem Leben auch nur einen einzigen Tag arbeiten musste!«, sagte Will gereizt. »Kommen Sie erst mal für sich selbst auf, dann können Sie mir etwas darüber erzählen, dass ich das Geld selbst verdienen soll!«
Damit hatte er einen wunden Punkt bei Aunie getroffen, etwas, das erheblichen Anteil an ihrer Unsicherheit hatte. Aber ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein ließ sie das Kinn in die Höhe recken. »Und was glauben Sie, wer für meinen Lebensunterhalt aufkommt und meine Rechnungen bezahlt?«, fragte sie kühl und sah ihm dabei direkt in die Augen. »Wer, glauben Sie, schuftet wie wild für eine Ausbildung, um endlich etwas Vernünftiges mit seinem Leben anzustellen? Sie wissen überhaupt nichts über mich, Will Ryder, also maßen Sie sich nicht an, mir vorzuwerfen, dass ich noch nie in meinem Leben einen Tag gearbeitet hätte. Zumindest erwarte ich nicht von meinem Bruder, dass er mir Geld leiht, für das er selbst hart gearbeitet hat, nur damit ich es einfach und bequem habe!«
Einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde Will gleich vor Wut explodieren, und Aunie wich vorsichtshalber einen Schritt zurück. Doch dann blies er die Backen auf und stieß die
Weitere Kostenlose Bücher