Du wirst noch an mich denken
schien es tatsächlich so zu sein. Der Anrufbeantworter ließ die Zahl der störenden Anrufe drastisch sinken, und Aunies Anspannung begann nachzulassen. Doch dann erhielt sie sechs Tage nachdem Otis das Gerät installiert hatte einen Anruf von ihrem Anwalt in Atlanta, und ihr wurde klar, dass sie etwas unternehmen musste.
Wie gewöhnlich hatte sie ihren Anrufbeantworter den Anruf entgegennehmen lassen. Dieses Mal wurde am anderen Ende jedoch nicht aufgelegt. Stattdessen drang Jordans Stimme aus dem Lautsprecher.
»Aunie?«, fragte er unsicher nach dem Piepston. Als sie die Stimme erkannte, erhob sie sich vom Esstisch, wo sie über ihren Büchern saß und lernte. »Äh ... habe ich die richtige Nummer gewählt? Hier ist Jordan Saint ...«
Aunie hob ab. »Hallo, Jordan, ich bin's.«
»Aunie! Da ist ja vielleicht eine Ansage. Woher in aller Welt haben Sie die denn?«
»Mein Nachbar hat sie für mich aufgesprochen.«
»Wirklich beeindruckend«, sagte Jordan. »Ist Ihr Nachbar zufällig ziemlich groß?«
»Riesig.«
»Afroamerikaner?«
»Ja.«
»So brutal, wie er klingt?«
»Nein«, erwiderte sie. »Im Gegenteil, er ist sanft wie ein Lamm, obwohl man das nicht glauben würde, wenn man ihn nicht kennt.«
Jordan lachte. Er zögerte kurz, und dann sagte er: »Ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen den Grund meines Anrufs beibringen soll, Aunie. Ich will Ihnen nicht unnötig Angst machen, weil es wahrscheinlich gar nichts weiter zu bedeuten hat, aber vor zwei Wochen wurde in meinem Büro eingebrochen.«
Aunie hatte das Gefühl, eine eiserne Faust griffe nach ihrem Herzen. »O Gott«, flüsterte sie. »Wesley?«
»Das ist ziemlich unwahrscheinlich, Aunie«, erwiderte Jordan. »Aber Ihre Telefonnummer steht in meinem Rolodex, deshalb fand ich, dass Sie ein Recht darauf haben, es zu wissen. Allerdings ohne Vorwahl, und ohne die ist es praktisch unmöglich herauszufinden, in welcher Stadt Sie sich aufhalten. Ihre Adresse steht natürlich nirgends außer in Ihrer Akte, und die befindet sich unter Verschluss.«
»Ich bekomme seit einiger Zeit anonyme Anrufe, Jordan.«
Er stieß einen Fluch aus. »Klingt es nach Wesley?«
»Ich weiß nicht, der Anrufer sagt nie etwas. Er hängt ein, sobald ich mich melde. Deshalb hat Otis die Ansage auf meinen Anrufbeantworter aufgesprochen.«
»Wesley ist nicht der Typ, der schweigend auflegen würde, dafür hört er sich viel zu gerne reden. Ich denke, dass diese Anrufe überhaupt nichts mit ihm zu tun haben.«
»Das habe ich auch gedacht ... gehofft«, sagte sie. »Aber jetzt ...« Jetzt hatte sie auf einmal ein sehr schlechtes Gefühl. Es war einfach alles zu glatt gelaufen - sie hätte es besser wissen müssen.
Sie unterhielten sich noch eine Weile, bevor Jordan sich schließlich verabschiedete. Nach diesem Gespräch blieb Aunie noch lange auf dem Sofa sitzen, sie zog die Beine hoch, schlang die Arme darum und legte die Stirn auf ihre Knie. Die Schatten auf dem Fußboden wurden allmählich länger, als der Nachmittag in den Abend überging, aber sie merkte es gar nicht. Gott im Himmel, dachte sie immer wieder. Lieber Gott im Himmel.
Fing der Wahnsinn von vorne an?
Lola und Mary begleiteten sie aufs Polizeirevier, wo sie einen Bericht aufnehmen ließ. Mittlerweile war sie davon überzeugt, dass es sich bei dem Anrufer um Wesley handelte. Als der Beamte, der ihre Aussage zu Protokoll nahm, jedoch hörte, welches College sie besuchte, war er mindestens so fest davon überzeugt, dass sie es mit dem Kerl zu tun hatten, der auch ihre Kommilitoninnen mit Anrufen belästigte.
»Wie auch immer«, sagte er schließlich mit mühsam bewahrter Geduld, als sie zum dritten Mal dazu ansetzte, ihm zu widersprechen, »die Vorgehensweise ist in beiden Fällen die gleiche. Rufen Sie diese Nummer an, dort wird man Ihnen sagen, was Sie weiter tun sollen.«
»Ich habe eine einstweilige Verfügung gegen meinen Exmann«, erklärte Aunie dem Beamten. »Aber das hat ihn nicht davon abgehalten, mich schon einmal grün und blau zu schlagen. Können Sie mir wenigstens versprechen, dass Sie schnell jemanden schicken, wenn sich herausstellt, dass er es doch ist und ich Hilfe brauche?«
»Ja, Ma'am. Das kann ich.« Er machte einen Vermerk auf ihrem Protokoll. Mehr konnte sie wahrscheinlich nicht erwarten, dachte Aunie resigniert und erhob sich. Sie streckte die Hand aus. »Vielen Dank, Officer, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben.«
Er schüttelte ihr die Hand und deutete eine höfliche
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