Du wirst noch an mich denken
mit einem verächtlichen Schnauben die Luft aus. »Ganz schön dumm, was? Ich glaube, ich habe automatisch angenommen, dass es sich um irgendeinen Clown handelt, der sich zufällig meine Nummer ausgesucht hat.«
»Und jetzt?«, fragte Otis.
Aunie dachte eine Weile nach. Schließlich gestand sie: »Ich weiß es einfach nicht. Nach meinen Erfahrungen mit Wesley kann ich mir nicht vorstellen, dass er anruft und dann einfach einhängt, ohne etwas zu sagen. Früher war er immer sehr redselig.«
»Wenn es kein zufälliger Anrufer ist«, sagte Otis langsam, »auf wen tippst du dann eher, auf Wesley oder den Kerl vom College?«
»Ich habe Mathe als Hauptfach, Otis«, erwiderte Aunie mit einem verzerrten Lächeln, »deshalb kenne ich mich ein bisschen mit Wahrscheinlichkeitsrechnung aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einer nicht eingetragenen Telefonnummer gleich von zwei Psychopathen, die nicht das Geringste miteinander zu tun haben, angerufen wird, dürfte etwa eins zu einer Million betragen. Wenn man auf das College geht, das sich einer der beiden als Betätigungsfeld ausgesucht hat, verschiebt sich das natürlich etwas, aber trotzdem ... ich glaube, wenn ich mich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden muss, und in Anbetracht dessen, wie besessen Wesley ist, würde ich wohl sagen, dass er es ist.« Die Vorstellung allein reichte, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht wich und es ihr eiskalt über den Rücken lief.
Otis tätschelte ihr die Hand. »Hör zu, Aunie, es kann gut sein, dass du mit deiner ersten Vermutung Recht hast. Wahrscheinlich ist es jemand, der zufällig deine Nummer ausgesucht hat. So was passiert wohl häufiger, als man denkt. Warum machst du es nicht so, wie du es ursprünglich vorgehabt hast, und lässt ein paar Tage lang den Anrufbeantworter laufen, und wenn die Anrufe dann immer noch nicht aufgehört haben, gehst du zur Polizei.«
»Otis«, protestierte Lola.
»Lass gut sein, Baby«, sagte er in sanftem Ton. »Ein paar Tage mehr oder weniger machen auch keinen großen Unterschied mehr. Wir werden ein Auge auf sie haben, es besteht also kein Grund, dass du dich aufregst. Wie es aussieht, haben wir sowieso schon dafür gesorgt, dass sie heute eine schlaflose Nacht verbringt.«
»Ich könnte hier bleiben, Aunie«, bot Mary an.
»Würdest du das tun?«, fragte Aunie, ohne lange zu überlegen. Dass sie nach dem ersten Anruf nicht sofort an Wesley gedacht hatte, zeigte nur, was für Fortschritte sie gemacht hatte, seit sie nach Seattle gezogen war. Um die Wahrheit zu sagen, war sie nicht einmal auf die Idee gekommen, sich von den Anrufen Angst einjagen zu lassen, bevor ihre Freunde all diese beunruhigenden Möglichkeiten zur Sprache brachten. Aber jetzt, nachdem sie es getan hatten ... »Es ist vermutlich albern, aber ich bin auf einmal fix und fertig. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du da bliebest.«
»Kein Problem. Ich fahre nur schnell nach Hause, um ein paar Sachen zu holen und meine Bücher einzupacken. In einer Stunde bin ich wieder da.«
»Kann ich mitkommen?«, fragte Aunie, von dem plötzlichen Bedürfnis getrieben, ihre Wohnung für eine Weile zu verlassen. »Ich habe nichts zum Abendessen da, aber wenn du irgendwo unterwegs bei einem Restaurant hältst, lade ich dich zum Essen ein.«
»Klingt gut.«
Lola und Otis erhoben sich. Lola trat zu Aunie und sah mit ernster Miene auf sie hinunter. »Bist du böse auf mich, Mädchen?«
»Natürlich nicht.« Aunie stellte sich auf die Zehenspitzen, um Lola zu umarmen. »Ich finde es schön, dass du dich so um mich kümmerst, und bin dir sehr dankbar dafür. Nur ... ich muss erst einmal ein oder zwei Tage auf meine Art versuchen, damit fertig zu werden, in Ordnung?«
»Okay«, sagte Lola. »Aber du hältst uns auf dem Laufenden, ja?«
»Das tu ich.« Aunie drehte sich zu Otis. »Danke«, sagte sie. »Danke, dass du mir den Anrufbeantworter angeschlossen hast und für die Ansage und ... na ja, für alles eben.« Danke, dass du als Einziger versuchst hast, meinen Standpunkt zu verstehen.
Er streckte die Hand aus und tippte ihr mit dem Finger auf die Nasenspitze. »Keine Ursache ... und es war mir trotzdem ein Vergnügen. Versuch, dir nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen. Ich bin sicher, dass bald alles wieder in Ordnung ist.«
Aber leider war das nicht der Fall. Aunie wünschte sich verzweifelt, ihr anonymer Anrufer möge irgendein Fremder sein, der durch irgendeinen Zufall an ihre Nummer geraten war, und eine Zeit lang
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