Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
erkannt:«Ich bin verstört.»
Rowena Adlers Praxis war eine Enttäuschung. Ich hatte mir eine Praxis in einem Stadthaus im Village vorgestellt, mit Blick auf den Garten vielleicht, mit modernen skandinavischen Möbeln und Kelims auf dem Parkettfußboden und geschmackvollen abstrakten Gemälden an den Wänden, und sie würde in einem großen Drehstuhl sitzen, und ich ihr gegenüber, oder vielleicht würde ich auf einer Couch neben ihr liegen, und womöglich hätte sie ja einen Hund oder eine Katze, einen alten Hund oder eine alte Katze, matt und müde, die zu ihren Füßen schliefen, aber das erste Mal sah ich sie in einem Zimmer in einem Gebäude des New York University Medical Center in einem gottverlassenen Teil der First Avenue. Ich musste in einem fensterlosen Raum warten, an dessen Wänden Reihen dieser miteinander verbundenen Stühle mit Sitzschalen aus Plastik festgemacht waren, die man häufig in Busbahnhöfen sieht. Es gab auch einen Wasserspender, aber der war leer. Ein leerer Wasserspender verströmt irgendwie etwas Deprimierendes - nichts in der Art, ob er nun halbvoll ist oder halbleer, er ist einfach nur leer, und ich dachte, wenn ich ein Seelenklempner wäre und in meinem Wartezimmer einen Wasserspender stehen hätte, dann würde ich dafür sorgen, dass er immer voll ist. Der Raum diente ganz offensichtlich auch noch ein paar anderen praktischen Ärzten als Wartezimmer, und ich überlegte mir ein wenig beunruhigt, ob sich Dr. Adler wohl keine eigene Praxis leisten konnte, mit eigenem Eingang und eigenem Wartezimmer. Das hier war wie beim Zahnarzt, jedenfalls wenn man in einem staatlichen Gesundheitszentrum zum Zahnarzt ging, das im Busbahnhof der Hafenbehörde untergebracht war.
Mir gegenüber saß eine füllige Frau, die ein viel zu dick belegtes Thunfischsalatsandwich aß. Das Sandwich dieser Frau war so randvoll mit Thunfischsalat, dass er an den Seiten herausquoll und auf das Butterbrotpapier fiel, das sie auf ihrem Schoß ausgebreitet hatte, und sie griff nach unten und las die Thunfischsalatklumpen mit den Fingern auf und stopfte sie in sich hinein. Ich merkte genau, dass sie versuchte, manierlich dabei auszusehen, doch die mit dem Ganzen verbundene Sauerei machte das natürlich unmöglich.
Eine Frau erschien in der Tür. Obwohl nur ich und die Thunfischsalatdame da waren, sah sie sich um, als wäre das Zimmer voller Menschen, und fragte:«James? James Sveck?»
«Ja», sagte ich. Ich stand auf und ging auf sie zu.
Sie streckte die Hand aus, und ich schüttelte sie. Die Hand war sehr kühl und schmal.«Ich bin Dr. Adler», sagte sie.«Kommen Sie doch bitte mit.»
Ich folgte ihr einen bedrückenden Flur hinunter bis zu einem winzigen Raum ohne Fenster, in dem gut ein Buchhalter hätte hocken können. Tatsächlich erinnerte das Zimmer mich ein bisschen an Myron Axels Abstellkammer, es war voll mit Papierstapeln, die darauf warteten, abgeheftet zu werden, mehrere Wochen alten Kaffeetassen, die sich in wissenschaftliche Experimente verwandelt hatten, und einem Durcheinander aus kaputten Regenschirmen, die sich unter dem Schreibtisch ineinander verkeilt hatten.
Als ich den Raum betrat, muss ich so überrascht ausgesehen haben, wie ich war, denn Rowena Adler betrachtete das Tohuwabohu um sie herum und sagte:«Die Unordnung hier tut mir leid. Ich bin schon so daran gewöhnt. Ich habe vergessen, wie es wirkt.»Dann setzte sie sich und sagte:«Schön, Sie kennenzulernen, James.»
Ich sagte:«Danke», als hätte sie mir ein Kompliment gemacht. Ich hatte ganz bestimmt nicht vor, zu sagen, es sei auch schön, sie kennenzulernen. Ich hasse es, so etwas zu sagen, nur weil es erwartet wird, so eine hohle, abgedroschene Floskel.
«Setzen Sie sich doch dorthin», sagte sie und zeigte auf einen unbequem aussehenden Metallklappstuhl. Es war der einzige andere Stuhl im Zimmer, aber sie sagte es, als gäbe es noch viele Stühle und sie hätte diesen ganz allein für mich ausgesucht. Sie selbst saß auf einem Bürostuhl mit Stoffbezug und Rollen, den sie vom Schreibtisch weggedreht hatte. Der Raum war so klein, dass unsere Knie sich fast berührten. Sie lehnte sich zurück, als wollte sie bequemer sitzen, aber ich wusste, dass sie in Wirklichkeit Distanz zu mir gewinnen wollte.«Normalerweise treffe ich meine Patienten in meiner Praxis in Downtown, aber dienstags kann ich nicht von hier weg, und ich wollte Sie so bald wie möglich sehen.»
Ich mochte es nicht, wie sie von mir als einem Patienten sprach
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