Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
schon glücklich?», sagte ich.«Ich glaube nicht, dass überhaupt jemand glücklich ist. Wie kann irgendjemand glücklich sein, in der Welt, in der wir -»
«Hör auf, James», sagte meine Mutter.«Die Menschen sind glücklich. Manchmal. Zumindest sind sie nicht auf die Weise unglücklich, wie du es bist.»
«Auf welche Weise bin ich denn unglücklich?», fragte ich.
«Auf eine Weise, die uns Sorgen bereitet», sagte meine Mutter.«Eine Weise, die uns Angst macht.»
«Oh», sagte ich. Mir fiel wirklich nichts ein, was ich darauf hätte sagen können.
«Also haben wir zusammen zu Mittag gegessen», fuhr meine Mutter fort, ihre Stimme klang wieder etwas mehr wie sonst.«Und wir haben uns über dich unterhalten. Und wir haben uns gedacht, vielleicht möchtest du ja gern mit jemandem reden.»
«Mit jemandem reden? Du hast doch gerade erst erwähnt, wie ungern ich mit anderen rede. Wieso sollte ich mit jemandem reden wollen?»
«Ich meine ja nicht irgendjemanden », sagte meine Mutter.«Ich meine einen Arzt. Einen Therapeuten. Einen Psychiater. So einen Jemand. Würdest du das tun, James? Für mich? Und für deinen Vater. Hör - hör einfach einmal damit auf, alles abzulehnen, und geh und sprich mit dieser Frau.»
«Es ist eine Frau?»
«Ja, es ist eine Frau.»
«Wer hat sie ausgesucht?»
«Dein Vater. Ich wusste, dass du jeden, den ich vorschlage, kurzerhand ablehnen würdest.»
«Na ja, du musst schon zugeben, dass deine Erfahrungen mit Therapeuten nicht allzu gut sind.»
Meine Mutter schwieg.
«Wie heißt sie denn?»
«Rowena Adler», sagte meine Mutter.«Dr. Rowena Adler. Sie ist Psychiaterin.»
«Rowena? Ihr schickt mich zu einer Seelenklempnerin, die Rowena heißt?»
«Was stört dich an Rowena? Das ist ein richtig hübscher Name.»
«Bestimmt, für eine Gestalt aus einer Wagner-Oper. Aber findest du nicht, das klingt ein bisschen arg teutonisch?»
«Jetzt machst du dich lächerlich, James. Du kannst diese Ärztin doch nicht aufgrund ihrer Herkunft ablehnen. Dein Vater hat mit verschiedenen Leuten gesprochen, und anscheinend ist sie sehr gut.»
«Das ist ja beruhigend. Eine Seelenklempnerin, auf Herz und Nieren geprüft von den geistesgestörten Kollegen meines Vaters.»
«Dein Vater hat Beziehungen. Er kann den besten Scheidungsanwalt finden, warum sollte er also nicht auch den besten Seelenklempner finden können? Er hat eine Menge Zeit und Mühen darauf verwandt, und du weißt, wie wenig ihm so was ähnlich sieht. Dr. Adler wird von Leuten, die sich in diesen Dingen auskennen, wärmstens empfohlen. Genau genommen ist ihr Spezialgebiet …»
«Was? Was ist ihr Spezialgebiet? Schweigsame, unglückliche Achtzehnjährige?»
«Ja», sagte meine Mutter.«Genau das ist tatsächlich ihr Spezialgebiet. Sie arbeitet mit verstörten Jugendlichen.»
«Ach, das bin ich also? Das klingt nicht gerade politisch korrekt. Können die sich nicht etwas Besseres einfallen lassen? Kann ich nicht ein besonderer Jugendlicher sein? Oder ein anderweitig begabter Jugendlicher? Oder -»
Meine Mutter streckte eine Hand aus und legte sie mir auf den Mund.«Hör auf», sagte sie.«Hör einfach auf.»
Ihre Hand auf meinem Gesicht fühlte sich komisch an. Sie fühlte sich auf eine seltsame Weise vertraut an - ich konnte mich nicht erinnern, wann meine Mutter mich zuletzt berührt hatte. Sie behielt ihre Hand einen endlosen Moment lang dort, auf meinem Mund. Und dann nahm sie sie fort.«Es tut mir leid», sagte sie.«Ich hätte das nicht - es ist nur -»
«Nein», sagte ich.«Du hast recht. Es stimmt.»
«Was stimmt?», fragte meine Mutter.
«Ich bin verstört», sagte ich. Ich dachte darüber nach, was das Wort bedeutet, was es wirklich bedeutet, verstört zu sein, ob es aufgewühlt bedeutet, wie ein Teich, in den man einen Stein geworfen hat, oder ob es ist, als störte man die öffentliche Ordnung. Oder bedeutet es, dass man aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, wie durch ein Buch oder einen Film oder den brennenden Regenwald oder die schmelzenden Polkappen. Oder den Krieg im Irak. Es war einer jener Augenblicke, in denen man das Gefühl hat, das Wort noch nie zuvor gehört zu haben, und man kann einfach nicht glauben, dass es bedeutet, was es bedeutet, und man denkt sich, wie ist das Wort zu dieser Bedeutung gekommen? Es ist wie eine Glocke oder so etwas, schimmernd und rein, verstört , verstört , verstört , ich hörte es laut in seiner wahren Bedeutung dröhnen, und ich sagte, als hätte ich es gerade erst
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