Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
Vom Netzwerk:
alle ihr Hauptgericht hatten, huschten die Kellnerinnen davon, und die Lichter gingen aus, und es wurde so dunkel, dass man nicht einmal mehr seinen Teller sehen, geschweige denn davon essen konnte. Dann begrüßte uns eine Stimme vom Tonband im Theater und erinnerte daran, die Handys auszuschalten (was ich ziemlich ironisch fand, bedenkt man, dass wir während der Aufführung zu Abend essen würden). Und dann hob sich der Vorhang, und die Lichter im Zuschauerraum wurden wieder ein wenig aufgedreht, so dass man genug sehen konnte, um zu essen, und das Stück begann.
    Das Stück zur Unterhaltung der Massen, das wir sahen, war eine weibliche Version von Ein verrücktes Paar , die Hauptrollen wurden von zwei Schauspielerinnen mittleren Alters gegeben, die einst eine ansehnliche Filmkarriere, gefolgt von einer etwas weniger angesehenen Karriere als Mütter in Sitcoms gemacht hatten und danach eine Weile verschwunden waren. Ich fragte mich, ob das hier nur eine weitere Stufe auf ihrem Abstieg in die Vergessenheit war, oder ob sie den Tiefpunkt bereits erreicht hatten und der Auftritt in einer Inszenierung von Ein verrücktes Paar in einem Dinner Theater den Beginn ihres Comebacks darstellte. Und ich fragte mich, ob es ihr Geldmangel oder ihre Sehnsucht nach Ruhm war, was sie in dieser Inszenierung auftreten ließ. Die ganze Sache hatte etwas sehr Würdevolles und Tapferes und Trauriges an sich - der Gedanke, wozu Menschen getrieben werden können, wie wechselhaft das Leben ist, und welche schrecklichen Dinge die Menschen tun, um zu überleben -, eine bewegende Botschaft, die in krassem Gegensatz zu dem Stück selbst stand. Es war eine erschütternde Erfahrung, dem zuzuschauen.
    Und weil ich auf dem obersten Podium saß, konnte ich, während ich dem Stück folgte, auch die Zuschauer beobachten. In den ersten zehn bis fünfzehn Minuten bewahrten alle eine geradezu andächtig gespannte Aufmerksamkeit, doch als der erste Akt voranschritt, ließ das Interesse an dem Geschehen auf der Bühne nach. Die Leute fingen an zu essen, sie sprachen leise mit ihren Nachbarn oder nicht ganz so leise mit den Personen, die ihnen gegenübersaßen. Dann und wann zischelte jemand Schschscht , und es kehrte Ruhe ein, doch wie ein Feuer, das nicht richtig gelöscht worden ist, flackerten die Gesprächsfetzen und Essensgeräusche nach und nach wieder auf.
    Als der erste Akt vorüber war, applaudierten alle wie verrückt, um ihre mangelnde Aufmerksamkeit wieder wettzumachen, und dann standen die Frauen allesamt auf und stürmten in Richtung Damentoilette. Ich musste auch auf die Toilette, aber bevor ich aufstehen konnte, geschah etwas Merkwürdiges. Nareem Jabbar, die andere Vertreterin des Staates New York, kam herüber und setzte sich an meinen Tisch. Eigentlich mochte ich Nareem irgendwie. Sie wohnte in Schenectady, war sehr intelligent und stellte am Ende der Seminare oft aufrüttelnde Fragen.
    Sie setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber und sagte:«James, was ist los mit dir?»
    Ich hatte nicht gewusst, dass sie meinen Namen kannte, und sie sprach mit mir, als wären wir enge, alte Freunde. Ich war verwirrt. Also schwieg ich.
    «James, James», sagte sie.«Rede mit mir. Was ist mit dir los, warum sitzt du hier ganz allein?»
    «Was meinst du damit?», fragte ich. Einer der Gründe, weshalb ich es nicht ausstehen kann, mit den Leuten zu reden, ist die Tatsache, dass ich, wenn ich dazu gezwungen werde, unweigerlich etwas Dummes sage.
    «Du bist immer allein», sagte sie.«Du sitzt hier ganz allein. Das können wir nicht zulassen. Komm doch rüber zu uns.»
    So etwas hasse ich ja wirklich. Das hasse ich wirklich wirklich - wenn die Leute auf das Alleinsein eines anderen so reagieren, als wäre das ein Problem für sie selbst. Ich wusste, der einzige Grund, weshalb sie wollte, dass ich kam und mich an ihren Tisch setzte, war, dass sie jemandem einen Gefallen tun wollte. Dass ich da alleine saß, störte sie; es war wie mit diesen Leuten, die in der U-Bahn stehen und über die man sich ärgert, wenn man selber sitzt. Es ist, als würden sie nur stehen, damit man selbst sich mies fühlt. Manchmal gibt es sogar noch freie Plätze - halbe Plätze zwischen dicken Männern, die breitbeinig dasitzen -, aber da setzen sie sich nicht hin, sie stehen einfach vor einem und sehen erschöpft und elend aus und erreichen, dass man sich schrecklich fühlt, weil man sitzt. Und ich wusste, Nareem wollte bloß, dass ich an ihrem Tisch saß, weil ich wie ein Dorn

Weitere Kostenlose Bücher