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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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wegzukommen, wie ich nur konnte.
    Also sprang ich über das Rinnsal und kroch auf der anderen Seite des Kanals hoch und bahnte mir einen Weg durch den dunklen Wald. Ich kletterte über einen Maschendrahtzaun in den Garten hinter irgendeinem Haus. In der Dunkelheit konnte ich nur wenige Schritte vor mir ein Spielgerüst erkennen, mit einer Rutsche und zwei normalen Schaukeln und einer kleinen Kinderschaukel. Und dann sah ich ein Baby in dieser Schaukel sitzen, es war zur Seite gekippt, und ich dachte, oh Gott, da hat jemand ein Baby in der Schaukel vergessen! Dann, als ich näher heranging, merkte ich, dass es kein Baby war, es war eine Puppe. Ich kam mir wie ein Trottel vor und sah mich um, als könnte mich jemand beobachtet und meine Gedanken erraten haben. Aber da war niemand. Ich setzte die Puppe aufrecht hin und gab der Schaukel einen kräftigen Stoß. Als sie ihren höchsten Punkt erreicht hatte, stürzte die Puppe heraus und flog in einem erstklassigen Bogen durch die Luft und machte mitten auf dem Rasen kopfüber eine Bruchlandung.
    Ich ließ sie da liegen und ging näher an das Haus heran, zu dem einen großen Fenster im Erdgeschoss, das erleuchtet war. Ich schlich mich nahe genug heran, um ins Haus sehen zu können, in ein Wohnzimmer oder Spielzimmer oder etwas ähnlich Grundanständiges. Ein Mann und eine Frau saßen auf dem Boden und spielten ein Brettspiel, und hinter ihnen schlief ein Golden Retriever auf dem Sofa. Der Fernseher lief, aber ich konnte nur das Licht des Bildschirms sehen, ich konnte nicht erkennen, was sie sich anschauten. Was es auch immer war, sie schenkten ihm keine Beachtung: Sie waren ganz in ihr Spiel vertieft, sie klatschten in die Hände und lachten. Sie wirkten, als säßen sie in einem Werbefilm für das Spiel und würden vorführen, wie viel Spaß es machte. Den Mann konnte ich nur von hinten sehen, aber die Frau saß mir gegenüber. Sie war etwa vierzig und hatte einen Bademantel an und hielt die Haare mit einem Haarband aus dem Gesicht. Das Spiel schien ihr wirklich zu gefallen, und ich dachte, wie komisch es war und auch ein bisschen gruselig, dass ein Mann an einem Mittwochabend um zehn Uhr ein Brettspiel mit seiner Frau spielte. Ich hatte nicht viel Erfahrung mit dem Leben in den Vororten, aber ich glaubte nicht, dass es derart grundanständig war. Dann kam mir der Gedanke, dass es ja vielleicht eines dieser erotischen Brettspiele war, die Paare spielen, um die Leidenschaft in ihre sexfreien Ehen zurückzubringen. Ich hatte einmal das grauenvolle Erlebnis gehabt, so ein Spiel («Wieder Lust auf Lust!») unter dem Bett meiner Eltern zu finden. Doch das Spiel, das dieses Paar spielte, sah nicht sonderlich erotisch aus: Sie würfelten und bewegten kleine Figuren über das Spielfeld und zählten die Kästchen. Dann hob der Hund den Kopf und sah durch das Fenster geradewegs in meine Richtung und bellte leise.«Ach, Horace, sei still», sagte die Frau. Sie zählte gerade die Felder auf dem Spielbrett ab und schaute nicht auf, aber der Mann drehte sich um und sah mich an, und ich erkannte, dass es gar kein Mann war. Es war ein Teenager mit Down-Syndrom. Einen Augenblick lang starrte er mich mit diesen komischen, verstörenden Augen an, er sah genau in meine Richtung, aber ich glaube nicht, dass er mich erkennen konnte, wie ich da draußen im Dunkeln stand. Dann bellte der Hund wieder, und der Junge sagte etwas zu seiner Mutter, und sie stand auf und ging zum Fenster, und ich machte einen Schritt zurück in die Dunkelheit. Sie beugte sich gegen das Fenster und legte die Hände wie ein Guckrohr an das dunkle Glas und spähte hinaus. Ich trat weiter zurück und rannte dann um die Hausecke und die Einfahrt hinunter auf die Straße.
    Ich rannte ziemlich weit die Straße hinauf, denn ich wollte von diesem Haus wegkommen. Alles daran war gespenstisch gewesen - die Puppe, die in der Schaukel ausgesetzt worden war, der Mann, der sich in einen zurückgebliebenen Sohn verwandelt hatte, und der verängstigte Blick, mit dem die Mutter aus dem Fenster gespäht hatte. Das Viertel war verlassen, aber es wurde von brummenden Straßenlaternen, die mehr wie Suchscheinwerfer wirkten, hell erleuchtet. Es war vollkommen ruhig. Als ich um die Ecke bog, sah ich einen Mann, der vor mir auf dem Gehsteig einen Hund ausführte, also lief ich über die Straße und rannte weiter, aber der Mann muss so einer von diesen alarmschlagenden Nachbarschaftswächtern gewesen sein, denn er schrie etwas und lief dann

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