Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Abend, an dem die Kleiderordnung des Amerikanischen Klassenzimmers außer Kraft war, und alle fühlten sich sichtlich befreit. Die Mädchen trugen alle wie Sue Kenney ein Outfit, das sie eigens für den Abend gekauft hatten, ein Outfit, von dem sie dachten, es würde sie auf die bestmögliche Weise zur Geltung bringen, also fühlten sie sich bestens zur Geltung gebracht, und dieses Wissen flößte ihnen ein Selbstvertrauen und eine Fröhlichkeit ein, die geradezu greifbar waren. Und die Jungen sahen alle adrett aus, die Gesichter gnadenlos frisch rasiert, das Haar sorgfältig gegelt, bis es so richtig lässig aussah, und da war dieses elektrisierende Gefühl in ihrem Inneren, das dem Gefühl im Inneren der Mädchen entsprach, dass sie alle zu Höherem berufen waren, einer Zukunft entgegeneilten, die sie nur noch vollkommener machen konnte, und ich fragte mich, wie das wohl war - dieses Wunder, diese Einfalt, sich so zu fühlen.
Ich hatte mir schon gedacht, dass man bei einem Dinner Theater für das Dinner und das Theater nur einen Preis zahlt, aber mir war nicht klar gewesen, dass beides auch gleichzeitig stattfinden würde. Eigentlich hatte ich gedacht, wir würden in einem gesonderten Raum essen und dann ins Theater gehen, daher war ich überrascht, als ich sah, dass die Tische im Theater standen. Ich hatte geglaubt, so etwas gäbe es nur in Las Vegas, wo es wohl okay war, wenn man während der Aufführung der Tiger und Revuegirls aß, aber vor Schauspielern zu essen, das konnte ich mir nicht vorstellen. Es schien mir so ziemlich das Rüpelhafteste zu sein, was man machen kann. Selbst wenn sie die Lichter im Besucherraum löschten, könnte man doch immer noch die gesamte Zuschauerschar kauen hören.
Die Tische standen auf stufenförmig angelegten Podien, und wir wurden angewiesen, uns an irgendeinen Tisch auf den oberen beiden Ebenen zu setzen. Die unteren Podien waren überwiegend mit Frauen mittleren Alters besetzt, die uns unglücklich anblickten, als wir zwischen ihnen hindurchgingen. Die meisten Tische hatten vier oder sechs oder acht Plätze, aber auf dem obersten Podium gab es ein paar Tische für zwei Personen, und ich wusste, wenn ich mich an einen dieser Tische setzte, würde sich keiner dazusetzen, und ich hatte recht: keiner kam.
Anstelle richtiger Speisekarten verkündeten kleine Kärtchen neben jedem Gedeck:
Willkommen, Amerikanisches Klassenzimmer!
Das Menü des heutigen Abend’s [ sic! ]
Ouvertüre
Minestrone oder Variierte [ sic! ] Blattsalate
Erster Akt
Paprikahuhn, Kompositum [ sic! ] von Gemüse, Reispilaw
Pause
Kaffee oder Tee
Zweiter Akt
Schokoladenbusserl auf Himbeersoßenspiegel
Bitte beachten Sie:
Vegetariern servieren wir anstelle des Huhns
gerne eine zweite Portion Reis oder Gemüse
Bitte wenden Sie sich an Ihre Bedienung
Eine gebrechliche, ältere Kellnerin kam mit einem Krug Wasser in der einen und einem Krug mit etwas, das nach Eistee aussah, in der anderen Hand an meinen Tisch. Die Krüge waren wohl schwer, denn sie mühte sich ab, sie hochzuhalten. Vor meinen Augen erschien das Bild, wie ihre Hände an den Gelenken abbrachen.
«Eistee oder Wasser.»Sie versuchte, jeden Krug anzuheben, während sie sagte, was darin war, doch diese Geste fiel äußerst dezent aus.
«Wasser, bitte», sagte ich.
Während sie mir Wasser in mein Glas goss, sagte sie:«Möchten Sie die Suppe oder den Salat? Beides geht nicht.»
«Darf ich Sie etwas fragen?»
Sie stellte beide Krüge auf den Tisch und knetete sich die Hände.«Was denn?», sagte sie nicht gerade ermutigend.
«Was sind variierte Blattsalate?»
«Wie?»
«Hier steht, es gibt variierte Blattsalate. Können Sie mir sagen, was das ist?»Ich deutete auf das Wort auf der Karte, aber sie sah gar nicht hin.
«Das weiß ich nicht», sagte sie.«Das ist unser üblicher Salat. Grüner Salat. Ich würde die Suppe empfehlen.»
«Ich nehme die variierten Salate», sagte ich. Ich hatte vorgehabt, sie auch noch nach dem Kompositum von Gemüse und den Schokoladenbusserl zu fragen, aber bevor ich das konnte, sagte sie:«Ganz wie Sie wollen», hievte ihre Krüge hoch und ging zum nächsten Tisch.
Der erste Gang wurde rasch serviert und fast sofort wieder abgeräumt, ersetzt durch Teller mit Paprikahuhn, Gemüsekompositum und Reispilaw. Das Kompositum bestand schlicht aus dem üblichen, deprimierenden Gemisch aus tiefgefrorenen Karotten, Mais und Limabohnen. Was den Reis zu einem Pilaw machte, blieb ein Rätsel. Sobald
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