Duddits - Dreamcatcher
von Eden, im Osten. Zum Abschaum, wie Owens Mutter immer behauptet hatte. Doch ehe er Kain losschickte, zeichnete Gott ihn, damit ihn auch der Abschaum von Nod erkannte. Und jetzt, da er die rotgoldene Spur auf Eddies Daumennagel sah und danach auch an seinen eigenen Händen und Handgelenken suchte, glaubte Owen zu wissen, welche Farbe das Kainsmal gehabt hatte.
Kapitel 11
Die Reise des Eiermanns
1
Der Selbstmord, das hatte Henry entdeckt, hatte eine Stimme. Er wollte sich erklären. Das Dumme war nur, dass er kaum englisch sprach; meistens verfiel er in das ihm eigene abgehackte Kauderwelsch. Aber das war eigentlich egal; hauptsächlich kam es wohl aufs Reden an sich an. Seit Henry dem Selbstmord seine Stimme gelassen hatte, hatte sich sein Leben enorm verbessert. Er hatte sogar wieder ganze Nächte durchgeschlafen (nicht viele, aber immerhin) und hatte keine richtig schlimmen Tage mehr erlebt.
Bis heute.
Es war Jonesys Körper dort auf dem Arctic Cat gewesen, aber das Ding, das nun in ihm steckte, war voller fremder Bilder und fremder Absichten. Jonesy mochte immer noch dabei sein – Henry ging eigentlich davon aus –, aber wenn dem so war, dann war er jetzt zu tief verborgen, zu klein und schwach, um irgendwie hilfreich sein zu können. Bald würde Jonesy ganz verschwunden sein, und das wäre dann vermutlich eine Gnade.
Henry hatte befürchtet, das Ding, das Jonesy nun beherrschte, würde ihn bemerken, aber es fuhr vorbei, ohne abzubremsen. In Petes Richtung. Und dann? Wohin dann? Henry wollte nicht darüber nachdenken, wollte sich nicht darum scheren.
Schließlich machte er sich wieder auf den Weg zum Camp, nicht weil in ihrer Hütte noch irgendetwas auf ihn wartete, sondern weil er sonst nirgends hinkonnte. Als er an das Tor mit dem Namensschild kam – CLARENDON –, spuckte er sich einen weiteren Zahn in die Hand, betrachtete ihn und warf ihn dann weg. Es schneite nicht mehr, aber der Himmel war immer noch bedeckt, und der Wind frischte anscheinend wieder auf. Hatten sie im Radio irgendwas von zwei aufeinander folgenden Stürmen gesagt? Er konnte sich nicht erinnern und wusste nicht, ob das noch eine Rolle spielte.
Irgendwo im Westen dröhnte eine mächtige Detonation. Henry schaute lustlos in diese Richtung, konnte aber nichts erkennen. Da war entweder etwas abgestürzt oder explodiert, und wenigstens einige der sonst keine Ruhe gebenden Stimmen in seinem Kopf waren verstummt. Er hatte keine Ahnung, ob es da einen Zusammenhang gab oder nicht, und keine Ahnung, ob ihm das gleichgültig sein durfte. Er trat durch das offen stehende Tor und ging über den planierten Schnee, auf dem sich die Spur des davonbrausenden Schneemobils abzeichnete, auf ihre Hütte zu.
Der Generator dröhnte gleichmäßig, und über der Granitplatte, die als Fußmatte diente, stand die Tür offen. Henry blieb kurz draußen stehen und betrachtete den Granit. Erst dachte er, eine Blutspur darauf zu sehen, aber Blut, sei es nun frisch oder getrocknet, glänzte nicht so unverkennbar rotgolden. Nein, was er da sah, war irgendwie pflanzlich. Moos oder vielleicht ein Pilz. Und da war noch etwas …
Henry legte den Kopf in den Nacken und schnupperte – absurderweise hatte er in diesem Moment wieder ganz deutlich vor Augen, wie er einen Monat zuvor mit seiner Exfrau bei Maurice’s gewesen war und am Wein gerochen hatte, den der Sommelier eben eingeschenkt hatte, und wie er Rhonda dabei angeschaut und gedacht hatte: Wir schnuppern am Wein, und Hunde schnuppern einander am Arsch herum, und es läuft ungefähr aufs Gleiche hinaus. Und dann blitzte die Erinnerung auf, wie seinem Vater die Milch übers Kinn gelaufen war. Er hatte Rhonda zugelächelt, und sie hatte sein Lächeln erwidert, und er hatte gedacht, was für eine Erleichterung das Ende sein würde und dass er es am besten schnell hinter sich brachte.
Doch jetzt roch er keinen Wein, sondern einen sumpfigen, schwefligen Gestank. Für einen Moment konnte er ihn nicht einordnen, und dann fiel es ihm wieder ein: die Frau, die den Unfall verursacht hatte. Auch hier stank es nach ihren verdorbenen Innereien.
Henry betrat die Granitplatte und war sich bewusst, dass er zum letzten Mal hier war. Er spürte die Last all der Jahre – das Gelächter, die Gespräche, die Biere, ab und zu auch mal einen schönen Joint, die Wurfschlacht mit Lebensmitteln von Anno 96 (vielleicht war es auch 97 gewesen), die Gewehrschüsse, diese bittere Geruchsmischung aus Schießpulver und Blut, die die
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