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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ohne es zu bemerken. »Gut. Das ist gut.«
    So stand er noch eine Viertelstunde da, und dann konnte er es nicht mehr ertragen, kehrte den Flammen den Rücken zu und brach in die Richtung auf, aus der er gekommen war.

7
    Er brachte keine Eile mehr auf. Er hatte zwanzig Meilen vor sich ( 22,2, um genau zu sein, sagte er sich), und wenn er es nicht etwas langsamer anging, würde er es nie schaffen. Er blieb in der Spur des Schneemobils und hielt häufiger als auf dem Hinweg an, um zu verschnaufen.
    Ah, aber da war ich ja auch noch jünger, dachte er nur leicht ironisch.
    Zweimal sah er auf seine Armbanduhr, da er vergessen hatte, dass es in Jefferson Tract jetzt Punkt irgendwann Eastern Standard Time war. Angesichts der dichten Wolkendecke konnte er lediglich mit Sicherheit sagen, dass es noch Tag war. Es war natürlich Nachmittag, aber ob nun früh oder spät, das konnte er unmöglich feststellen. An einem anderen Nachmittag hätte sein Appetit vielleicht als Zeitmaß dienen können, aber nicht heute. Nicht nach dem Ding auf Jonesys Bett und den Eiern und den Haaren mit den vorstehenden schwarzen Augen. Nicht nach dem aus der Badewanne ragenden Fuß. Er fühlte sich, als würde er nie wieder etwas essen wollen … und wenn doch, dann auf keinen Fall etwas, was auch nur eine Spur rötlich war. Und Pilze? Nein, danke.
    Ski fahren, zumindest auf kurzen Langlaufskiern wie diesen hier, war ein wenig wie Fahrrad fahren, das stellte er fest: Man verlernte es nicht. Er stürzte einmal, als er den ersten Hügel hochfuhr und die Skier unter ihm wegrutschten, aber die andere Seite glitt er dann in schwindelerregendem Tempo hinunter, schwankte dabei nur ein wenig, fiel aber nicht hin. Die Skier waren vermutlich zum letzten Mal gewachst worden, als der Erdnussfarmer Präsident war, aber solange er sich in der Spur des Schneemobils hielt, würde es wohl gehen. Er bestaunte die Vielzahl der Tierspuren auf der Deep Cut Road – in seinem ganzen Leben hatte er nicht mal ein Zehntel dessen gesehen. Ein paar Tiere waren an der Straße entlanggelaufen, aber die meisten Spuren kreuzten sie nur von West nach Ost. Die Deep Cut Road führte in weitem Bogen nach Nordwesten, und der Westen war eine Himmelsrichtung, mit der die einheimische Tierwelt eindeutig nichts zu tun haben wollte.
    Ich unternehme eine Reise, sagte er sich. Vielleicht wird eines Tages jemand ein Epos darüber schreiben: Henrys Reise.
    »Ja, genau«, sagte er. »Die Welt hing schief, die Zeit gerann, doch nichts hielt auf den Eiermann.« Er lachte darüber, und in seiner ausgetrockneten Kehle verwandelte sich das Gelächter in trockenen Husten. Er hielt am Rand der Schneemobilspur, nahm noch zwei Hände voll Schnee und aß sie.
    »Lecker … und gesund!«, verkündete er. »Schnee! Nicht mehr nur zum Frühstück!«
    Er sah zum Himmel, und das war ein Fehler. Für einen Moment packte ihn der Schwindel, und er dachte schon, er würde hintenüberkippen. Dann legte sich das. Die Wolken oben sahen ein bisschen dunkler aus als zuvor. Lag Schnee in der Luft? Oder wurde es schon dunkel? Oder sowohl als auch? Die Knie und Knöchel taten ihm vom Skifahren weh, und die Arme schmerzten sogar noch mehr. Aber am schlimmsten wütete der Schmerz in seiner Brustmuskulatur. Er hatte es längst hingenommen, dass er es nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit zu Gosselin’s schaffen würde; jetzt, da er hier stand und wieder Schnee aß, ging ihm auf, dass er es vielleicht gar nicht schaffen würde.
    Er löste das Red-Sox-T-Shirt, das er sich ums Bein gebunden hatte, und war starr vor Entsetzen, als er einen leuchtend scharlachroten Faden auf seinen Bluejeans sah. Sein Herz pochte so schnell, dass ihm weiße Flecken vor den Augen tanzten. Mit zitternden Fingern fasste er dorthin.
    Was willst du denn jetzt tun?, fragte er sich höhnisch. Willst du es wegschnippen, als ob es ein Fussel wäre?
    Und genau das tat er, denn es war ein Fussel: ein roter Faden aus dem aufgedruckten Emblem auf dem T-Shirt. Er schnippte ihn weg und sah zu, wie er in den Schnee trudelte. Dann band er sich wieder das T-Shirt um den Riss in seinen Jeans. Für jemand, der keine vier Stunden zuvor über alle möglichen letzten Optionen nachgedacht hatte – das Seil und die Schlinge, die Badewanne und die Plastiktüte, mit dem Auto an einen Brückenpfeiler zu rasen und die allzeit beliebte Hemingway-Lösung, mancherorts auch Polizistenabschied genannt –, hatte er ein, zwei Sekunden lang eine ziemliche Heidenangst

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