Duddits - Dreamcatcher
gewisse Buße mit sich. Während dieser endlose vierzehnte November auf Mitternacht zuging und die Wahrscheinlichkeit zunahm, das Wochenende doch noch zu erleben, wunderte sich Owen gar nicht, dass die Idee der Buße ihm plötzlich reizvoll erschien.
»Henry?«
»Ja, Owen. Ich bin hier.«
»Ich habe mich immer dafür geschämt, was ich an diesem Tag im Haus der Rapeloews gemacht habe.«
»Ich weiß.«
»Und trotzdem habe ich so etwas immer wieder gemacht. Ist das nicht völlig verkorkst?«
Henry, der ein ausgezeichneter Psychiater war, auch noch, nachdem er sich in Gedanken dem Selbstmord zugewandt hatte, sagte nichts darauf. Verkorkst zu sein war für Menschen völlig normal. Traurig, aber wahr.
»Also gut«, sagte Owen schließlich. »Du darfst das Haus kaufen. Aber ich richte es ein. Abgemacht?«
»Abgemacht«, erwiderte Henry sofort.
»Kannst du mir wirklich diese Störtechnik beibringen? Die könnte ich nämlich gut gebrauchen.«
»Ich glaube schon.«
»Also gut. Hör zu.« Und dann sprach Owen drei Minuten lang, abwechselnd laut und in Gedanken. Die beiden Männer waren an einem Punkt angelangt, an dem sie zwischen diesen Verständigungsweisen keinen Unterschied mehr machten; Gedachtes und Gesprochenes ging ineinander über.
Kapitel 16
Derry
1
Es ist warm bei Gosselin’s – Mann, ist das warm hier! Auf Jonesys Gesicht bricht sofort Schweiß aus, und als die vier beim Münztelefon ankommen (das, wie könnte es auch anders sein, gleich neben dem Holzofen hängt), tropft ihm der Schweiß schon von den Wangen, und seine Achselhöhlen fühlen sich an wie Regenwaldboden nach einem Wolkenbruch … nicht dass dort sonderlich viel sprießt, das nicht, nicht mit vierzehn. Das hättste wohl gern, wie Pete immer sagt.
Es ist also warm hier, und dieser Traum hat ihn noch gar nicht richtig losgelassen, er hat ihn noch nicht vergessen, obwohl er Albträume sonst immer schnell vergisst (er hat immer noch den Gestank von Benzin und brennendem Gummi in der Nase, hat immer noch Henry vor Augen, wie er diesen Mokassin hochhält … und den Kopf, er sieht immer noch Richie Grenadeaus grausligen abgetrennten Kopf), und dann macht die Frau in der Vermittlung alles auch noch schlimmer, indem sie rumzickt. Als Jonesy ihr die Telefonnummer der Cavells nennt, die sie regelmäßig anrufen, um zu fragen, ob sie rüberkommen dürfen (Roberta und Alfie sagen immer ja, aber es ist trotzdem ein Gebot der Höflichkeit, um Erlaubnis zu bitten, das haben sie alle zu Hause gelernt), fragt die Frau: »Wissen deine Eltern, dass du ein Ferngespräch führen willst?« Sie sagt das nicht im Yankee-Tonfall, sondern mit dem leicht französisch angehauchten Ton derer, die hier in diesem Teil der Welt aufgewachsen sind, wo die Leute eher Letourneau oder Bissonette heißen als Smith oder Jones. Die knickerigen Froschfresser nennt Petes Dad diese Leute. Und jetzt hat Jonesy ausgerechnet so eine am Apparat, Gott steh ihm bei.
»Ich darf teure Anrufe machen, wenn ich sie selber bezahle«, sagt Jonesy. O Mann, er hätte wissen müssen, dass es letztlich an ihm hängen bleiben würde, diesen Anruf zu machen. Er zerrt den Reißverschluss seiner Jacke auf. Gott, ist das heiß hier drin! Nicht auszuhalten! Wie diese Opas da um den Ofen hocken können, geht über Jonesys Verstand. Seine Freunde drängen sich um ihn, was verständlich ist – sie wollen ja mithören –, aber Jonesy wünscht sich trotzdem, sie würden ein bisschen von ihm abrücken. Ihm wird nur noch wärmer, wenn sie sich so um ihn drängen.
»Und wenn ich sie anrufen würde, mon fils, deine mère et père, würden sie das dann bestätigen?«
»Klar«, sagt Jonesy. Schweiß läuft ihm ins Auge, es brennt, und er wischt ihn weg wie eine Träne. »Mein Vater ist auf der Arbeit, aber meine Mutter müsste eigentlich zu Hause sein. Neun-vier-neun sechs-sechs-fünfacht. Aber machen Sie bitte schnell, denn …«
»Also gut, ich verbinde«, sagt sie und klingt enttäuscht. Jonesy zieht sich schnell die Jacke aus, wechselt dazu mit dem Hörer vom einen zum anderen Ohr und lässt die Jacke dann fallen. Die anderen haben ihre immer noch an; Biber hat sich noch nicht mal die Fonzie-Jacke aufgemacht. Wie sie das aushalten, ist Jonesy ein Rätsel. Sogar die Gerüche setzen ihm zu: Musterole und Bohnen und Bohnerwachs und Kaffee und der Lake-Geruch aus dem Pökelfass. Normalerweise mag er die Gerüche bei Gosselin’s, aber heute könnte Jonesy auf der Stelle loskotzen.
Er hört es klicken.
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