Duddits - Dreamcatcher
den Cavells: Jonesy, Biber, Pete und Henry. Das Brüllen kommt näher, und selbst übers Telefon merkt Jonesy, wie es ihm ins Hirn dringt, wie ein stumpfes Messer, das bohrt und aushöhlt, statt zu schneiden. Autsch. Verglichen mit Duddits’ Weinen sind Henrys Ellbogenknüffe die reinen Liebkosungen. Währenddessen läuft ihm die Brühe in Strömen den Rücken hinunter. Seine Augen konzentrieren sich auf zwei Schilder über dem Telefon. BITTE NICHT LÄNGER ALS 5 MINUTEN TELEFONIEREN steht auf dem einen. GOS-SENSPRACHE WIRD NICHT GEDULDET steht auf dem anderen. Darunter hat jemand eingeritzt: »Scheiße, wer sagt das?!« Dann ist Duddits dran, und Jonesy hat dieses fürchterliche Geheul direkt im Ohr. Er zuckt zusammen, und obwohl es wehtut, kann er es Duds nicht übel nehmen. Hier oben sind sie zu viert und zusammen. Er ist da unten ganz allein, und dann ist er auch noch so anders. Gott hat ihn gleichwohl geschlagen wie gesegnet, Jonesy wird ganz schwummrig zumute, wenn er daran denkt.
»Duddits«, sagt er. »Duddits, wir sind’s. Jonesy …«
Er reicht den Hörer an Henry weiter. »Hallo, Duddits, hier ist Henry …«
Henry gibt Pete den Hörer. »Hallo, Duds, hier ist Pete, hör jetzt auf zu weinen, es ist alles gut.«
Pete reicht den Hörer an Biber weiter, der sich umsieht und dann mit dem Hörer so weit um die Ecke geht, wie das Kabel reicht. Die Hand um die Muschel wölbend, damit ihn die älteren Herren am Ofen nicht hören (von seinem alten Herrn natürlich ganz zu schweigen), singt er die ersten beiden Verse des Wiegenlieds. Dann verstummt er und hört zu. Einen Augenblick später gibt er den anderen ein Handzeichen, einen Kreis aus Daumen und Zeigefinger. Dann reicht er den Hörer zurück an Henry.
»Duds? Henry noch mal. Es war nur ein Traum, Duddits. Das ist nicht wirklich passiert. Okay? Es ist nicht wirklich passiert, und jetzt ist es vorbei …« Henry hört zu. Jonesy nutzt die Gelegenheit und zieht sein Flanellhemd aus. Das T-Shirt darunter ist durchgeschwitzt.
Es gibt Myriaden Dinge auf der Welt, die Jonesy nicht weiß – zum Beispiel, was für eine Verbindung er und seine Freunde da zu Duddits haben –, aber er weiß auf jeden Fall, dass er es nicht mehr lange hier im Laden aushält. Er fühlt sich, als würde er in diesem Ofen stecken und nicht nur davor stehen. Die alten Säcke, die da sitzen und Dame spielen, müssen Eis in den Knochen haben.
Henry nickt. »Genau wie ein Gruselfilm.« Er hört zu und runzelt die Stirn. »Nein, hast du nicht. Das hat keiner von uns. Wir haben ihm nichts getan. Wir haben keinem von ihnen was getan.«
Und in diesem Moment – einfach so – weiß Jonesy, dass sie es doch getan haben. Sie haben es nicht gewollt, jedenfalls nicht so, aber sie haben es getan. Sie hatten Angst, Richie würde seine Drohung wahrmachen und sich an ihnen rächen … und deshalb sind sie ihm zuvorgekommen.
Pete streckt die Hand aus, und Henry sagt: »Pete will mit dir sprechen, Dud.«
Er reicht den Hörer an Pete weiter, und Pete sagt zu Duddits, er solle es einfach vergessen und ganz locker bleiben, sie würden bald nach Hause kommen, und dann würden sie das Spiel spielen, das wird ein Spaß, das wird eine Mordsgaudi, und bis dahin –
Jonesy schaut hoch und sieht, dass eines der Schilder über dem Telefon ausgetauscht worden ist. Auf dem linken steht immer noch BITTE NICHT LÄNGER ALS 5 MINUTEN TELEFONIEREN, aber auf dem rechten steht jetzt: GEH DOCH NACH DRAUSSEN, DA IST ES KÜHLER. Das ist eine gute Idee, wirklich mal eine ausgezeichnete Idee. Und es spricht auch nichts dagegen – die Duddits-Situation ist eindeutig unter Kontrolle.
Aber ehe er gehen kann, hält Pete ihm den Hörer hin und sagt: »Er will mit dir sprechen, Jonesy.«
Er ist drauf und dran, trotzdem rauszurennen, und denkt sich, lass mich doch in Ruhe, Duddits, ihr könnt mich doch alle mal. Aber das sind seine Freunde, und gemeinsam haben sie einen schrecklichen Albtraum durchlitten, haben etwas getan, was sie nicht tun wollten
(Lügner du Lügner du wolltest es ja du wolltest es)
und ihre Blicke halten ihn hier fest, trotz der Hitze, die ihm nun wie ein Polster, das ihn erstickt, die Brust zuschnürt. Mit ihren Blicken beharren sie darauf, dass er dazugehört und nicht gehen darf, solange Duddits noch am Telefon ist. Das wäre gegen die Spielregeln.
Es ist unser Traum, und er ist noch nicht vorbei, darauf beharren sie mit ihren Blicken, Henry vor allem. Das geht jetzt so seit dem Tag, an dem wir
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