Duddits - Dreamcatcher
Das dauert! Seine Freunde drängen sich um ihn und das Münztelefon an der Rückwand des Ladens. Zwei oder drei Gänge weiter starrt Lamar auf das Regal mit den Getreideflocken und reibt sich die Stirn wie jemand, der fürchterliche Kopfschmerzen hat. Und bei dem vielen Bier, das er gestern Abend getrunken hat, denkt Jonesy, ist es auch kein Wunder, dass er Kopfschmerzen hat. Er bekommt selbst auch gerade Kopfschmerzen, die allerdings mit Bier nichts zu tun haben, sondern eher daher kommen, dass es so verdammt heiß hier drin ist –
Er richtet sich ein wenig auf. »Es klingelt«, sagt er zu seinen Freunden und wünscht sich augenblicklich, er hätte den Mund gehalten, denn jetzt drängen sie sich noch enger um ihn. Pete hat fürchterlichen Mundgeruch, und Jonesy denkt: Wie machst du das bloß, Petesky? Putzt du dir nur einmal im Jahr die Zähne?
Beim dritten Läuten wird abgehoben. »Ja, hallo?« Es ist Roberta, und sie klingt geistesabwesend und besorgt und nicht so fröhlich wie sonst immer. Und es ist auch klar, warum; im Hintergrund hört er Duddits brüllen. Jonesy weiß, dass Alfie und Roberta das Weinen nicht so wahrnehmen wie er und seine Freunde – sie sind Erwachsene. Aber sie sind auch Duddits’ Eltern, und etwas davon nehmen sie durchaus wahr, und er würde mal bezweifeln, dass es ein schöner Morgen für Mrs. Cavell gewesen ist.
Gott, wie kann es denn hier drin so heiß sein? Womit haben die diesen verdammten Holzofen denn heute Morgen befeuert? Mit Plutonium?
»Hallo! Wer ist da?« Ungeduldig – auch das passt nicht zu Mrs. Cavell. Wenn man als Mutter eines so besonderen Menschen wie Duddits eines lernt, das hat sie den Jungs oft gesagt, dann ist es Geduld. Aber nicht so heute Morgen. Heute Morgen klingt sie fast stocksauer, und das ist eigentlich unvorstellbar. »Wenn Sie mir was verkaufen wollen: Ich kann jetzt nicht mit Ihnen reden. Ich habe zu tun, und …«
Duddits dazu im Hintergrund, trompetend und heulend. Natürlich haben Sie zu tun, denkt Jonesy. Seit dem Morgengrauen weint er so, und mittlerweile dürften Sie so ziemlich mit den Nerven am Ende sein.
Henry stößt Jonesy einen Ellbogen in die Seite und gibt ihm ein Handzeichen – Los! Mach schon! Der Stoß tut zwar weh, kommt aber genau richtig. Wenn sie auflegen würde, müsste sich Jonesy wieder mit dieser Zicke in der Vermittlung herumärgern.
»Mrs. Cavell? Roberta? Ich bin’s, Jonesy.«
»Jonesy?« Er spürt förmlich ihre immense Erleichterung; sie hat sich so danach gesehnt, dass Duddies Freunde anrufen, dass sie schon fast glaubt, sie würde sich das nur einbilden. »Bist du’s wirklich?«
»Ja«, sagt er. »Und die anderen sind auch hier.« Er hält ihnen den Hörer hin.
»Hallo, Mrs. Cavell«, sagt Henry.
»He, wie geht’s?«, ist Petes Beitrag.
»Hallo, schönes Kind«, sagt Biber blöde grinsend. Er ist mehr oder weniger in Roberta verliebt, seit er sie kennt.
Lamar Clarendon guckt herüber, als er die Stimme seines Sohns hört, zuckt mit den Achseln und vertieft sich dann wieder in die Betrachtung von Cornflakespackungen. Dann mal los, hat Lamar zu Biber gesagt, als Biber ihm erzählt hat, dass sie Duddits anrufen wollen. Weiß zwar nich, was ihr mit diesem Schwachkopp bequatschen wollt, aber es ist ja schließlich euer Geld.
Als sich Jonesy den Hörer wieder ans Ohr hält, sagt Roberta Cavell gerade: »… wieder in Derry? Ich dachte, ihr wärt jagen? In Kineo oder so?«
»Wir sind noch hier oben«, sagt Jonesy. Er sieht sich zu seinen Freunden um und wundert sich, dass sie kaum schwitzen – Henrys Stirn glänzt nur ein wenig, und Pete hat ein paar Schweißperlen auf der Oberlippe, aber das war’s. Völlig abgedreht. »Wir dachten bloß … äh … dass wir mal anrufen.«
»Ihr wisst davon.« Sie sagt das mit ausdrucksloser Stimme, nicht unfreundlich, aber auch keine Widerrede duldend.
»Äh …« Er zupft an seinem Flanellhemd herum, fächelt sich darunter Luft auf die Brust. »Ja.«
An dieser Stelle würden die meisten Menschen tausend Fragen stellen, wahrscheinlich angefangen mit Woher wisst ihr das? oder Was, um Gottes willen, ist mit ihm los?, aber Roberta ist anders als die meisten Menschen und erlebt schon seit fast einem Monat mit, wie sie sich mit ihrem Sohn verstehen. Sie sagt: »Bleib dran, Jonesy. Ich hole ihn.«
Jonesy wartet. In der Ferne hört er Duddits heulen und Roberta mit ihm sprechen. Sie versucht ihn zu überreden, ans Telefon zu gehen, und nutzt dazu die neuen Zauberwörter bei
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