Duddits - Dreamcatcher
nicht«, sagte Pearly. Seit Kurtz’ Gespräch mit dem Pflugfahrer hatte sich sein Bauch relativ ruhig verhalten, aber er klang erschöpft. »Ich kann es nicht sehen. Da ist jemand, aber es ist so, als gäbe es da keine Gedanken, in die man eindringen könnte.«
»Freddy?«
Freddy schüttelte den Kopf. »Owen krieg ich nicht mehr rein. Ich höre kaum noch den Typ da im Pflug. Das ist … ich weiß nicht … als würde man ein Funksignal nicht mehr reinkriegen.«
Kurtz beugte sich vor und schaute sich den Ripley auf Freddys Wange etwas genauer an. In der Mitte war er immer noch kräftig rötlich orangefarben, aber an den Rändern wurde er allmählich aschgrau.
Er geht ein, dachte Kurtz. Entweder stirbt er an Freddys Stoffwechsel oder an den Umweltbedingungen. Owen hat recht gehabt. Schau einer an.
Nicht dass das irgendwas änderte. Die Grenze blieb die Grenze, und Owen hatte sie übertreten.
»Der Typ im Pflug«, sagte Perlmutter mit erschöpfter Stimme.
»Was ist mit ihm, Bursche?«
Aber Perlmutter musste gar nicht darauf antworten. Vor ihnen ragte aus dem Schneegestöber ein Schild mit der Aufschrift AUSFAHRT 32 GRANDVIEW/GRAND-VIEW STATION auf. Mit einem Mal beschleunigte der Schneepflug und hob dabei seine Pflugschar. Plötzlich fuhr der Humvee wieder durch über dreißig Zentimeter hohen Pulverschnee. Der Pflugfahrer machte sich nicht die Mühe zu blinken, fuhr einfach mit siebzig Sachen vom Highway ab und zog dabei einen großen Schneefächer hinter sich her.
»Sollen wir ihm folgen?«, fragte Freddy. »Ich kann ihn einholen, Boss.«
Kurtz konnte sich gegen das starke Verlangen wehren, Freddy genau das zu befehlen – sie hätten den Schweinekerl eingeholt und ihn gelehrt, was mit Leuten geschah, die die Grenze übertraten. Hätten ihm ein wenig der für Owen Underhill bestimmten Medizin verabreicht. Bloß dass der Schneepflug größer war als der Humvee, viel größer, und wie wollten sie ihn aufhalten?
»Bleiben Sie auf dem Highway, Bursche«, sagte Kurtz und lehnte sich zurück. »Wir lassen uns nicht beirren.« Dann sah er mit großem Bedauern den Schneepflug im eiskalten, windigen Morgen verschwinden. Ihm blieb nicht einmal die Hoffnung, dass sich der verdammte Fahrer bei Freddy oder Archie Perlmutter angesteckt hatte, denn das Zeug ging ja ein.
Sie fuhren weiter, im Schnee nun nur mit dreißig Sachen, aber Kurtz dachte, die Straßenverhältnisse würden besser werden, je weiter sie nach Süden kamen. Der Sturm hatte sich fast gelegt.
»Und meinen Glückwunsch«, sagte er zu Freddy.
»Wieso?«
Kurtz tätschelte ihm die Schulter. »Sie sind anscheinend auf dem Wege der Besserung.« Er wandte sich an Perlmutter. »Aber bei Ihnen habe ich da so meine Zweifel, Bürschchen.«
11
Hundert Meilen nördlich von Kurtz’ gegenwärtiger Position und keine zwei Meilen von der Kreuzung entfernt, an der man Henry festgenommen hatte, stand die neue Kommandantin des Imperial-Valley-Kaders – eine äußerst gut aussehende Frau Ende vierzig – unter einer Kiefer in einem Tal, das den Codenamen Clean Sweep One erhalten hatte. Clean Sweep One war buchstäblich ein Tal des Todes. Überall lagen Leichenberge, und die meisten Leichen trugen waidmännisches Orange. Es waren über hundert. Wenn sich die Leichen mit irgendwas identifizieren ließen, hatte man ihnen das mit einer Banderole um den Hals geklebt. Die meisten Toten trugen ihren Führerschein, aber man sah auch Visa- und Discover-Karten, Krankenversicherungsausweise und Jagdscheine. Eine Frau, die ein großes schwarzes Loch in der Stirn hatte, trug ihren Blockbuster-Videotheksausweis.
Kate Gallagher stand neben dem größten Leichenhaufen und schloss eben eine grobe Zählung ab, ehe sie dann ihren Bericht schreiben würde. In der Hand hielt sie einen Palm Pilot, einen Kleincomputer, um den sie Adolf Eichmann, der berühmte Buchhalter des Todes, bestimmt beneidet hätte. Die Palm Pilots hatten zuvor nicht funktioniert, aber jetzt hatten sich die ganzen coolen elektronischen Gerätschaften anscheinend erholt.
Kate trug einen Kopfhörer mit einem Mikrofon, das vor ihrer Atemmaske hing. Hin und wieder erkundigte sie sich bei jemand oder gab einen Befehl. Kurtz hatte sich eine Nachfolgerin ausgesucht, die ihren Dienst ebenso begeistert wie effizient versah. Sie schätzte beim Zusammenzählen, dass sie mindestens sechzig Prozent der Ausbrecher erwischt hatten. Stinknormale Amerikaner hatten aufbegehrt, und das war sicherlich eine Überraschung gewesen, aber
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