Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dieser Blick hatten sich nicht verändert. Und auch nicht das Gefühl, das sie immer gehabt hatten, wenn sie mit Duddits zusammen waren – dass alles in Ordnung war oder es doch bald sein würde.
    Roberta sah Owen an, und ihr Gesicht schien mit jedem Satz, den er sprach, zu altern. Es war wie auf einer boshaft gemeinten Zeitrafferaufnahme.
    »Ja«, sagte sie. »Ja, ich habe verstanden, dass ihr Jonesy finden, ihn fangen wollt – aber was hat er denn vor? Und warum hat er es nicht hier gemacht, wenn er doch schon hier war?«
    »Ma’am, auf diese Fragen weiß ich keine Antwort …«
    »Assa«, sagte Duddits unvermittelt. »Onzi will Assa.«
    Wasser?, fragte Owen Henry in Gedanken. Wieso denn Wasser?
    Ist doch jetzt egal, erwiderte Henry, und mit einem Mal war die Stimme in Owens Kopf leiser und schwer zu verstehen. Wir müssen los.
    »Ma’am. Mrs. Cavell.« Owen nahm sie ganz behutsam wieder an den Armen. Henry hatte diese Frau sehr gern, obwohl er sie jetzt über zehn Jahre lang auf recht grausame Weise ignoriert hatte, und Owen wusste, warum Henry sie so mochte. Das ging von ihr aus wie ein süßer Duft. »Wir müssen los.«
    »Nein. O bitte nicht.« Jetzt kamen ihr wieder die Tränen. Bitte nicht weinen, hätte Owen gern gesagt. Es ist schon alles schlimm genug. Jetzt bitte nicht auch noch weinen.
    »Ein Mann ist hinter uns her. Ein sehr böser Mann. Wir müssen weg sein, wenn er hier eintrifft.«
    Robertas verzweifeltes Gesicht zeigte plötzlich große Entschlossenheit. »Also gut. Wenn es sein muss. Aber ich komme mit.«
    »Nein, Roberta«, sagte Henry.
    »Doch! Ich kann mich um ihn kümmern … ihm seine Tabletten geben … sein Prednison … Ich nehme die Zitronentupfer mit und …«
    »Amma, du aist ier.«
    »Nein, Duddie, nein!«
    »Amma, du aist ier. Icha! Icha!« Sicher. Duddits wirkte immer aufgeregter.
    »Wir haben wirklich keine Zeit mehr«, sagte Owen.
    »Roberta«, sagte Henry. »Bitte.«
    »Lasst mich mitkommen!«, rief sie. »Er ist doch alles, was ich habe!«
    »Amma«, sagte Duddits. Seine Stimme klang kein bisschen kindlich. »Uh … aist … IER.«
    Sie sah ihn eindringlich an, und aus ihrem Gesicht wich alle Hoffnung. »Also gut«, sagte sie. »Nur noch einen Augenblick. Ich muss etwas holen.«
    Sie ging in Duddits’ Zimmer und kam mit einer Papiertüte wieder, die sie Henry gab.
    »Das sind seine Tabletten«, sagte sie. »Das Prednison muss er um neun Uhr nehmen. Vergesst das nicht, sonst fängt er an zu keuchen und hat Schmerzen in der Brust. Er darf auch Oxycodon nehmen, wenn er darum bittet, und er wird wahrscheinlich darum bitten, denn es tut ihm weh, draußen in der Kälte zu sein.«
    Sie sah Henry traurig, aber nicht vorwurfsvoll an. Fast wünschte er, sie hätte ihm Vorwürfe gemacht. Er hatte sich in seinem ganzen Leben nicht so geschämt wie jetzt. Nicht weil Duddits Leukämie hatte; nein, weil er es schon so lange hatte und keiner von ihnen etwas davon gewusst hatte.
    »Und dann noch seine Zitronentupfer, aber nur für die Lippen, denn er hat oft Zahnfleischbluten, und dann brennen die Tupfer. Da sind Wattebäusche drin, falls er Nasenbluten bekommt. Ach ja, und dann der Katheter. Siehst du, da an seiner Schulter?«
    Henry nickte. Ein Plastikschlauch, der aus einem Verband ragte. Als er das sah, hatte er ein eigenartig starkes Déjà-vu-Erlebnis.
    »Wenn ihr draußen seid, muss der bedeckt sein … Dr. Briscoe lacht mich aus deswegen, aber ich mache mir immer Sorgen, dass sonst die Kälte in ihn hineinkommt … Da reicht ein Schal … oder auch ein Taschentuch …« Sie weinte wieder, und Schluchzer brachen aus ihr hervor.
    »Roberta …«, setzte Henry an. Jetzt sah er auch auf die Uhr.
    »Ich kümmere mich drum«, sagte Owen. »Ich habe meinen Vater bis zum Ende gepflegt. Ich kenne mich mit Prednison und Oxycodon aus.« Und nicht nur das: auch mit stärkeren Steroiden und Schmerzmitteln. Und am Ende dann Marihuana, Methadon und schließlich reines Morphium, das so viel besser war als Heroin. Morphium, der schnittigste Flitzer des Todes.
    Er nahm sie nun in seinem Kopf wahr, ein eigenartiges kitzelndes Gefühl wie von nackten Füßchen, die so leicht waren, dass sie den Boden kaum berührten. Es kitzelte, aber es war nicht unangenehm. Sie versuchte herauszufinden, ob das, was er über sich und seinen Vater gesagt hatte, der Wahrheit entsprach oder gelogen war. Das war die kleine Gabe, die ihr außergewöhnlicher Sohn ihr verliehen hatte, das wurde Owen klar, und sie nutzte sie

Weitere Kostenlose Bücher