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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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trug sie einen dicken Mantel und wer weiß wie viele Kleiderschichten, doch zeichneten sich darunter unverkennbar Euter von einem Kaliber ab, für das die Möglichkeit der Brustverkleinerungsoperation ursprünglich geschaffen worden war. Dem Haar, das zwischen und unter den Ohrenklappen ihrer Mütze hervorragte, war keinerlei Frisur anzusehen. Wie Pete und Henry trug sie Jeans, aber ihre Oberschenkel waren doppelt so breit wie Henrys. Das erste Wort, das ihm einfiel, war Landfrau – diese Frauen, die man sah, wie sie auf dem mit Spielzeug übersäten Hof neben dem extrabreiten Wohnwagen ihre Wäsche aufhängten, während Garth oder Shania aus einem Radio plärrten, das an einem offenen Fenster stand … oder wie sie bei Gosselin’s einkauften. Die orangefarbene Warnkleidung mochte darauf hindeuten, dass sie auf der Jagd war, aber wo war dann ihr Gewehr? Bereits unter dem Schnee begraben? Ihre weit geöffneten Augen waren dunkelblau und schauten völlig ausdruckslos. Henry schaute sich nach ihren Fußspuren um, konnte aber keine entdecken. Zweifellos hatte der Wind sie verweht; aber unheimlich war es schon; als wäre sie vom Himmel gefallen.
    Henry zog sich die Handschuhe aus und schnipste vor ihren glotzenden Augen mit den Fingern. Sie blinzelte. Das war nicht viel, aber mehr, als er erwartet hatte, angesichts dessen, dass ein mehrere Tonnen schweres Fahrzeug sie eben fast um Haaresbreite verfehlt hatte, ohne dass sie auch nur mit der Wimper gezuckt hätte.
    »He!«, schrie er ihr ins Gesicht. »He! Aufgewacht! Aufgewacht!«
    Er schnipste wieder mit den Fingern und hatte kaum noch ein Gefühl darin – seit wann war es denn plötzlich so kalt? Na, jetzt sind wir aber in der Bredouille, dachte er.
    Die Frau rülpste. Der Rülpser war erstaunlich laut, auch mit dem tosenden Wind in den Bäumen, und ehe der Sturm den Geruch vertrieb, bekam Henry noch etwas mit, das sowohl bitter als auch durchdringend roch – wie medizinischer Alkohol. Die Frau regte sich, verzog das Gesicht und ließ dann einen Furz – einen lang gedehnten, knatternden Furz, der sich anhörte, als würde ein Tuch zerreißen. Vielleicht, dachte Henry, begrüßen sich die Einheimischen hier ja so. Bei dem Gedanken musste er wieder lachen.
    »Ach du grüne Neune«, sagte Pete, nun fast direkt neben seinem Ohr. »Das hat sich ja angehört, als wäre ihr Hosenboden geplatzt. Was haben Sie denn getrunken, Lady? Prestone?« Und dann zu Henry: »Die hat doch irgendwas getrunken, Herrgott, und ich fress ’n Besen, wenn das nicht Frostschutzmittel war.«
    Henry roch es auch.
    Die Frau bewegte plötzlich die Augen und schaute Henry ins Gesicht. Er war entsetzt über den Schmerz, den er ihrem Blick ansah. »Wo ist Rick?«, fragte sie. »Ich muss Rick finden – er ist als Einziger noch übrig.« Sie verzog das Gesicht, und als sie die Lippen zurückzog, sah Henry, dass die Hälfte ihrer Zähne fehlte. Die verbliebenen sahen aus wie die Latten eines verfallenen Zauns. Sie rülpste wieder, und der Geruch war so übermächtig, dass ihm davon die Augen tränten.
    »Ach du Kacke!«, schrie Pete förmlich. »Was hat sie denn?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Henry. Er wusste nur mit Sicherheit, dass die Frau nun wieder ausdruckslos schaute und sie hier ziemlich in der Patsche steckten. Wäre er allein gewesen, dann hätte er sich vielleicht zu der Frau gesetzt und den Arm um sie gelegt – eine weit interessantere und originellere Antwort auf die letzte Frage als die Hemingway-Lösung. Aber er musste ja auch noch an Pete denken – und Pete hatte noch nicht mal seinen ersten Alkoholentzug durchgemacht, der ihm zweifellos bevorstand.
    Und außerdem war er neugierig.

4
    Pete saß im Schnee, massierte sich wieder das Knie, schaute Henry an und wartete darauf, dass der etwas unternahm, denn Henry war nur allzu oft der Ideengeber ihrer Viererbande gewesen. Sie hatten zwar keinen Anführer gehabt, aber Henry war so etwas Ähnliches gewesen. Das war auch schon damals auf der Junior High so. Die Frau schaute währenddessen nur wieder hinaus in den Schnee.
    Ganz ruhig, dachte Henry. Tief durchatmen und ganz ruhig sein. Er atmete tief ein, hielt die Luft an und atmete dann wieder aus. Schon besser. Schon viel besser. Also gut, was war mit dieser Frau los? Mal davon abgesehen, woher sie kam, was sie hier machte und warum ihr Atem nach verdünntem Frostschutzmittel stank, wenn sie rülpste. Was war im Moment mit ihr los?
    Sie stand unter Schock, das war offensichtlich. Ein so

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