Duden - Bücher, die man kennen muss. Klassiker der Weltliteratur
*11.12.1918 in Kislowodsk 1 t3.8. 20o8
in Moskau 1 ab1945 Lagerhaft und Verbannung 11966 Publikationsverbot in der Heimat 1 1970 Nobelpreis für Literatur
Solschenizyn studierte Mathematik und Physik in Rostow und
diente im Zweiten Weltkrieg als Offizier. Wegen stalinkritischer Äußerungen in seinen Briefen wurde er Anfang 1945 verhaftet, verbrachte acht Jahre im Lager und lebte danach in der kasachischen
Verbannung. 1956 durfte er zurückkehren und arbeitete in Rjasan,
200 km von Moskau entfernt, als Mathematiklehrer. Nach dem Erfolg seines Romans Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch (1962)
geriet Solschenizyn politisch unter Druck; ab 1966 durfte er in der
Sowjetunion nicht mehr publizieren. 1970 wurde Solschenizyn mit
dem Nobelpreis für Literatur geehrt. Nach der Veröffentlichung des
ersten Bands seines Dokumentarwerks Der Archipel GULAG im
Westen wurde Solschenizyn 1974 ausgewiesen und siedelte in die
USA über. In der Perestroikaära erschienen seine Werke erstmals
auch in der Sowjetunion.
Trotz seiner großen literarischen Verdienste war Solschenizyn
auch nach seiner Rückkehr nach Russland 1994 eine politisch umstrittene Figur, da er für eine »Wiedergeburt« seiner Heimat unter
nationalistischem Vorzeichen eintrat. Er starb 2008 in Moskau.
Der Diktatur widerstehen, politische Unfreiheit bekämpfen und
die Opfer des sowjetischen Lagersystems vor dem Vergessen bewahren - das sind die großen Themen im Werk Solschenizyns.
Der Roman Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch von Alexander
Solschenizyn zählte zu den größten literarischen Ereignissen der sogenannten Tauwetterperiode in der UdSSR. Erstmals wagte es ein
sowjetischer Autor, das Tabuthema des stalinistischen Lagersystems
unverblümt darzustellen.
Inhalt Im Mittelpunkt der Handlung steht der Häftling Nr. S854:
Iwan Denissowitsch Schuchow, ein Zimmermann, der nach einer
absurden Anklage wegen Hochverrats zu zehn Jahren Lager verurteilt wurde, von denen er acht bereits abgesessen hat. Das Geschehen
beschränkt sich auf einen einzigen Tag im Januar 1951, dessen monotoner Verlauf stellvertretend für die 3653 Tage steht, die Schuchow
insgesamt abzusitzen hat. Der Tagesablauf ist von der Lagerverwaltung streng vorgegeben: Wecken, Essen fassen, morgendlicher
Zählappell, Filzen auf verbotene Gegenstände, harte körperliche Arbeit in der »Brigade Nr. 105«, die auf die Baustelle eines Kraftwerks
abkommandiert ist, Mittagessen, wieder Arbeit usw. Diesen Ablauf
kennt Schuchow mittlerweile in- und auswendig; er hinterfragt weder die Rituale der Lagerbürokratie noch die Willkür der Bewacher.
Schuchow lebt ausschließlich in der Gegenwart, sein Handeln
und Denken ist darauf abgestellt, listig und klug sein Überleben zu
sichern und innerhalb der Tagesroutine kleine Vorteile für sich herauszuschlagen: etwa für einen Tag ins Krankenrevier eingewiesen
zu werden, wo man sich einmal richtig ausruhen kann, oder ein Paar
echte Lederstiefel zugeteilt zu bekommen. Insbesondere das Essen
besitzt für den ständig hungrigen Häftling eine geradezu obsessive
Bedeutung.
Ober die Welt außerhalb des Lagers erfährt Schuchow so gut
wie nichts, und das wenige, was er den Briefen entnimmt, die ihm
seine Frau schreibt, interessiert ihn nicht mehr. Nur indem Schu chow seine sinnlose, entmenschlichte Existenz als Normalzustand
akzeptiert, kann er die Kraft zum Überleben finden. Am deutlichsten wird dies in seiner Einstellung zur Arbeit. Die Mitglieder der
Brigade kontrollieren sich gegenseitig, da bei schlechter Leistung eines Einzelnen alle bestraft werden - doch nicht nur deshalb packt
Schuchow fleißig an: Er ist in positivem Sinn naiv, ein bodenständiger Mensch, der es nicht ertragen kann, Dinge halb oder schlecht
zu erledigen. Indem er sich mit der Wand, die er mauert, als seinem
Werk identifiziert, verleiht er der Zwangsarbeit und seiner ausweglosen Lage einen Sinn, den sie objektiv nicht haben.
Wirkung Der Roman löste bei seinem Erscheinen in der Zeitschrift Novy Mir eine lebhafte Diskussion aus. Der sowjetische
KPdSU-und Ministerratsvorsitzende Nikita Chruschtschow (1894
bis 1971) begrüßte das Werk als einen Beitrag zur Entstalinisierung.
Als die Spielräume für kritische Literatur ab 1964 wieder enger wurden, wurde das Buch auf den Index gesetzt. Ein Tag im Leben des
Iwan Denissowitsch zählt bis heute zu den erschütterndsten literarischen Zeugnissen über die stalinistische Diktatur.
deutsche
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