Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
dass ich ihn aus den Augen verloren hatte. Ich hastete durch ein paar enge, unbelebte Gassen, in die ich noch vor dem Domplatz abgebogen war, um diesen zu umgehen. Meine Beine waren hart und schwer wie Steine. Auf meiner Reise mit Jana war ich zwar dünner geworden, aber nicht jünger; ich fluchte auf die Steifheit meiner Gelenke. Schließlich platzte ich in eine breitere Gasse, durch die das Gebrüll vom Palast herauf zu hören war. Über die Hausdächer zur Rechten erhob sich der Zinnenkranz eines gedrungenen Festungsbaus mit einem kurzen Turm; ihn hatte ich schon von der Loggia unseres Hauses aus erblickt. Ich rannte in die Gegenrichtung und stolperte auf die südöstliche Ecke des Domplatzes hinaus. Der Stadtpalast, in dem Jana uns eingemietet hatte, lag nur ein paar Schritte weiter. Ich sprang zu den geschlossenen Torflügeln des Hauses hinüber wie ein Dieb und hämmerte mit letzter Kraft dagegen.
Ein bleiches Gesicht erschien in der kleinen Klappe des einen Flügels und starrte zu mir heraus; einen Augenblick später riss jemand das Mannloch auf, und ich fiel fast in den Innenhof hinein. Ein paar von den Dienstboten standen darin und sahen mich ungläubig an. Der Springbrunnen plätscherte so friedlich, als würden sich die Florentiner draußen nicht gegenseitig totschlagen. Neben dem Springbrunnen auf einem Mauervorsprung saß mein Schwiegersohn.
»Wir haben Euch überall gesucht…«, sprudelte er hervor und sprang auf. Die Männer, die sein »Gefolge« gebildet hatten, sahen sich verlegen an und wichen meinen Blicken aus. »… nachdem in der Kirche… ich meine, um Gottes willen, nach dem Mord an Giuliano und nach Lorenzos Flucht… diese ganze Panik… ich konnte Euch nirgends mehr sehen… ich fürchtete das Schlimmste…«
»Halt den Mund«, keuchte ich. »Wir müssen uns sofort um Jana kümmern.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie kann jeden Moment zur Stadt hereinkommen und weiß nicht, was hier los ist! Wir müssen sie abholen und sicher hierher geleiten.«
»Abholen? Aber… in der Stadt ist der Teufel los!«
Ich bemühte mich, wieder zu Atem zu kommen. »Was meinst du, weshalb ich mir Sorgen um sie mache? Sag den Männern, sie sollen sich alle sofort mit irgendetwas bewaffnen. Wir müssen zum Tor.« Ich tat ein paar aufgeregte Schritte im Innenhof herum. »Welches Tor wird sie nehmen, wenn sie von Cerchi kommt? Schnell!«
Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Von Cerchis Landhaus? Wenn sie in die Stadt herein will? Vermutlich… ich weiß nicht… am günstigsten liegt die Porta San Gallo…«
»Wo ist das?«
»Am Canto di Balla vorbei… nach der Baustelle von Santissima Annunziata… und dem Haus der Findelkinder…«
»Du musst mich hinführen. Los, sag den Männern, was ich von ihnen will!«
»Aber… ich… mein Gott, nein, wir müssen sofort…«
»Was?!«
»Die ganze Stadt ist in Aufruhr! Wir müssen Schutz suchen. Hier können wir auch nicht bleiben. Nur der Fondaco dei Tedeschi wird uns Schutz gewähren. Nach diesem Anschlag… wer weiß, wie die Geschichte ausgeht…«
»Ich weiß, wie sie ausgegangen ist«, unterbrach ich ihn grob.
»Jacopo de’ Pazzi ist vor dem Palast zurückgeschlagen worden. Einen der Attentäter hat man blutend an mir vorbeigeschleift. Der Aufstand ist erledigt; Lorenzo de’ Medicis Leute haben die Stadt im Griff.«
»Das ganze Gebiet von Santissima Annunziata gehört Lorenzo… sie werden alles abgeriegelt haben…«
»Dann umgehen wir das Gebiet. Du kennst dich doch aus in Florenz.«
»Ich muss Euch was gestehen…«, sagte er unglücklich.
»Gerade jetzt? Sag den Männern endlich…«
»… ich habe Euch gar nicht gesucht. Ich war so erschrocken. Als ich Euch im Dom aus den Augen verlor, bin ich auf dem schnellsten Weg hierher gekommen und habe ich mich versteckt.«
Ich starrte ihn an. Sein Gesicht verzog sich.
»Die Stadt hat Giuliano geliebt«, rief er erregt. »Sie wollen Rache für seinen Tod. Sie werden jeden verdächtigen, der nicht von hier und ein ausgewiesener Medici-Anhänger ist… jeder Fremde ist für sie ein potenzieller Anhänger der Pazzi… alle Fernkaufleute werden sich im Fondaco verstecken… wir sollten lieber dorthin…«
»Erklär den Männern, was ich von ihnen will«, herrschte ich ihn an. »Sie sollen mich führen. Du bleibst hier und bewachst das Haus und passt auf die Frauen auf.«
Er schluckte. Ich stürmte auf den Treppenaufgang zu, bis mir einfiel, dass sich in unserem Gepäck keinerlei Waffen befanden und ich
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