Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
lösen, die daraus resultierten, daß er zu lange in der gleichen Haltung gesessen hatte. Serroi schüttelte ebenfalls ihre Beine, um Verspannungen zu vertreiben, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. Als sie weiter die Kapriolen der Kleinen beobachtete, erweiterte sich plötzlich ihr Gesichtsfeld. Sie sah die Kleinen, sah die Erwachsenen, die fernab am Flußbett arbeiteten, wobei das zweite Bild mal Vordergrund, mal Hintergrund darstellte. Langsam rückte sie von Hern ab, kroch auf den Knien herum, bis sie ihm gegenüber hockte. Er stemmte die Handballen in den Sand und setzte sich auf, um ihr ins Gesicht zu sehen.
Sie schaut ihn an, sieht, wie sie ihn selbst anstarrt, sieht, wie er sie anstarrt, sieht ihn, wie er sich sie anschaut – das Sehen und die Sehenden werden endlos vervielfacht, als ob sie und Hern, er und Serroi zwei einander gegenüberstehende Spiegel wären. Außer dieser doppelten Erscheinung vernehmen beide das Rauschen der Flügel, fühlen die brennende Neugier der Flugwesen und ihre Aufregung. Durch ihr schrilles Geschrei wird Serroi abgelenkt, wird Hern abgelenkt. Hern und Serroi reißen sich davon los und blinzeln. Sie fühlen sich benommen und beraubt.
Serroi streckt die Hand aus, und Hern ergreift sie. »Alles in Ordnung bei dir?«
Sie nickte. »Und du?«
Er lacht, der Laut klingt etwas zittrig. »Zittrig«, sagte er. »Ich auch«, sagte sie. Sie machte ihre Hand frei, stand auf und sah sich nach dem Speer um. »Ich muß etwas anderes in den Magen bekommen.« Sie sah nach den emsigen Flugmännchen »Auf Fleisch werden wir wohl eine Weile verzichten.« Hern stemmte sich mit Hilfe der beiden Speere vom Boden auf die Beine. »Du hast wieder einmal recht.« Er reichte ihr den Speer. »Vorsicht, Kleines.«
Am zehnten Tag
Sie kamen jetzt nur langsam voran, da die erwartete Diät ihren Kräften zehrte, und die ständige Notwendigkeit der Nahrungssuche hielt sie länger auf, als ihnen lieb war. Hern aß die Knollen, die sie briet, die süßen Früchte der Reben, die Tulpastengel, die nach Nüssen schmeckenden Körner, die sie als kleinen Grasstreifen sammelten, und machte ihre fleischlose Diät mit. Die Tage waren warm und wolkenlos, die Nächte hei kühl und klar.
Die Flugwesen begleiteten sie. Nach wenigen Tagen hatten die scheuen Weibchen genügend Mut gefaßt, um nahe heranzufliegen und ihre Wange und ihr Haar zu tätscheln. Sie waren von den rotbraunen Locken einfach fasziniert.
Die Hochebene erstreckte sich mit weiten Grasflächen zwischen den Buschgegenden flach zu einem freien Horizont. war eine sanfte, eintönige Landschaft, die von blassen Brau und staubigen, gedämpften Grüntönen beherrscht wurde. üppig wachsenden Pflanzen waren klein, viele davon kleiner ihre Handfläche. Alles, was hier wuchs, verbreitete einen recht angenehmen, beißenden Geruch, der auch in der Luft hing, die sie atmeten, und sich in dem Honigtrank konzentrierte, mit dem die Flugwesen sie ständig fütterten.
Allmählich gewöhnten sie sich daran, in zwei Körpern gleichzeitig zu leben. Es machte das Gehen schwierig und die Nächte interessant. Manchmal war es auch verwirrend, wenn sie für immer länger werdende Zeitspannen nicht mehr sicher wußten, durch wessen Augen sie nun sahen oder wer eigentlich redete, gleichgültig, wessen Stimme erklang. Sie hielten viel körperlichen Kontakt, gingen, wenn es irgend möglich war, Hand in Hand und suchten oft den anderen, nur um sich bei den Händen zu fassen. Sie schliefen eng aneinandergekuschelt, ohne die geringste Spur sexuellen Verlangens.
In der zehnten Nacht hatten sie die ersten gemeinsamen Träume: HERN'S TRAUM: »Fettes Jüngelchen. Gieriges, fettes kleines Jüngelchen. Warum bin ich nur mit einem solchen Fettsack gestraft?« Der Rücken seines Vaters. Sein Vater, der weggeht. Sein Vater, der ihn ignoriert. Das Zimmer ist riesig. Dunkelheit hängt wie Spinnweben in den entfernten Winkeln und Schicht um Schicht an der Decke. Seines Vaters Schritte dröhnen noch, als er schon lange nicht mehr zu sehen ist, nachdem er durch ein klaffendes Loch in der Wand getreten ist. Der Junge steht auf. Der Raum hallt bei jeder Bewegung wider, das Geräusch schlägt wie eine Woge gegen ihn. Er ist ein rundlicher kleiner Junge, fast ebenso breit wie hoch, bewegt sich aber mit einer behenden Grazie, von der er nichts weiß. Sein Vater ist groß und schlank, einer von den knochigen Haslins. Er schimpft ihn ständig aus, gefräßig zu sein. Sein Vater schien seit seiner
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