Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
wohl Wache gestanden und von dem Schnüffler niedergeschlagen worden.
Die welkenden Ranken flüsterten mit papiernen Raschellauten, der Wind fegte Staubkörnchen über das Pflaster. In der Ferne brach der Gesang eines Kanka mit einem schrillen, hohe Ton ab, als er sein Gas ablies und auf einen herumschleichen den Nager herabstieß. Sie griff nach Joras Schultern, um ihn aus seiner Bewußtlosigkeit zu schütteln.
Leder quietschte auf Stein. Draußen im Dunkeln tat jemand einen unvorsichtigen Schritt und hielt mitten in der Bewegung inne, doch sie hatte es bereits gehört.
Sie rief, wollte aber nicht schreien. Ihr Vater und die andere wußten von dem Herumtreiber, aber es war nicht nötig, den ganzen Ort zu wecken. Sie lief im Slalom um die Säulen und wollte zu ihrem Vater zurück. Der Atem stockte ihr vor Entsetzen, als eine dunkle Gestalt hinter einer Säule hervortrat und ihren Arm packte. Sie riß sich los und keuchte. Schweiß brach ihr aus allen Poren, das Herz schlug ihr im Halse, und sie warf sich wieder in die Dunkelheit hinter den Säulen. Sie war im hohen Maße wütend, aber nicht wie bei einem ihrer Anfälle, sondern eher so wie Sananis kalte, gedankenklärende Wut. Sie hatte Angst, doch sie durchlebte noch einmal die Erinnerung an den Gardisten auf der Lichtung, der langsam zu Boden gefallen und durch einen Stein aus ihrer Schleuder gestorben war. Sie fuhr mit der Hand in ihre Tasche und tastete nach den Steinen und dem langen Lederstreifen. Sie nahm eine letzte, verzweifelte Kurve, rannte geduckt zur Mitte des Säulenhofs, hörte seine Füße übers Pflaster tappen und sein heiseres Atmen, während er hinter ihr herhetzte. Mit der Schlinge in der einen und dem Stein in der anderen Hand hüpfte sie in den Mittelgang, lief ihn entlang und hinaus auf die Straße, rutschte wieder aus und rannte an der Außenmauer entlang auf den Hain hinter dem Schrein zu. Auf halbem Weg blieb sie stehen, wirbelte herum, zitterte und wankte mit brennenden Augen und verschwommenen Blick und sog in großen Zügen die staubige Luft ein. Sie zitterte immer noch ein bißchen, als sie einen Stein in die Lederschlinge der Schleuder einpaßte und sie mit auf die Ecke gerichtetem Blick über ihrem Kopf kreisen ließ.
Der Meßdiener kam um die Ecke gestürzt, blieb mit einem Stolpern stehen, dann verzog er den Mund, und seine Augen funkelten siegesgewiß, als er auf sie zurannte. Die Anstrengungen hatten ihm die Kapuze vom Kopf gerissen. Sie sah mit erschreckender Deutlichkeit seinen glänzenden, kahlrasierten Schädel, von dem die Ohren wie die Henkel eines Topfes abstanden.
Die Schleuder sauste über ihrem Kopf. Er war noch sechs Schritte von ihr entfernt, als sie den Stein losließ. Sein letzter Schritt ging ins Leere, ein überraschter Ausdruck trat in das verbleibende Auge, und eine Hand wollte zum Gesicht emporfahren, da brach er auch schon aufs Pflaster nieder und blieb zusammengekrümmt liegen. Der Wind spielte in den Falten seines Gewandes.
Tuli wartete. Er rührte sich nicht mehr. Sie hob eine bleierne Hand und schob die Schleuder in ihre Jackentasche. Der Wind pfiff unheimlich an der Mauer entlang, zupfte an den geplätteten Falten seiner Kutte und drückte den Stoff eng an seinen knochigen Körper. Sie sehnte sich danach, zu ihrem Vater zu laufen und sich in seine Arme zu werfen, wo sie sich sicher fühlte. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie rieb sich mit dem Ärmel über die Augen und stellte einigermaßen überrascht fest, daß sie weinte. Sie schaute zum Himmel. Nijilic TheDom strich behäbig über einen Riß in der gelben Wolkendecke, und sein Licht fiel auf ein Jungfrauengesicht, das oberhalb der Mauer sichtbar war. Es wirkte lieblich, heiter, barmherzig und schien ihr zuzulächeln. Sie trat an dem getöteten Jungen vorüber (er konnte nicht mehr als drei oder vier Jahre älter sein als sie) und ließ den schwarzen Haufen hinter sich. Ihr Blick haftete auf dem sanftmütigen Gesicht, und die Vergebung, die sie daraus las, half ihr, sich selbst zu vergeben.
Sie stützte sich mit der flachen Hand an der Mauer ab, ging daran, entlang und um die Ecke, wobei ihre Hand über die rauhen Steine strich, doch die Spannung verflog aus ihrem Rücken und ihren Schultern, sobald der Leichnam außer Sicht war. Sie trat durch das Tor und schlurfte über das Pflaster.
Joras hatte sich inzwischen schweratmend aufgerichtet, tastete seinen Kopf ab und fluchte leise und nachdrücklich. Vonnyr half ihm auf, in seinem bewegten
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