Duenenmord
schon mal gar nicht.«
In dem Moment klingelte ihr Handy. Sie stand nach einem Blick aufs Display auf und stapfte zur Tür hinaus. Ihr Puls galoppierte, als befände sie sich in der fünften Runde, und ihr Ringgegner läge zwei Knock-outs vorne.
»Bienenwachs?«, wiederholte Romy verblüfft.
»Ja und paar andere Substanzen, Rapsöl und Rizinusöl zum Beispiel«, ergänzte Möller. »Es gibt winzige Partikel direkt in der Wunde, aber auch im Nacken und an den Haaren am Hinterkopf.«
Romy stöhnte auf. »Und was soll das bedeuten?«
»Dass Sie kurz vor dem Durchbruch stehen«, meinte Möller plötzlich nahezu vergnügt.
»Wie darf ich das denn verstehen?« Romy nickte Fine dankbar zu, die ihr eine Tasse Kaffee reichte.
»Die genannten Bestandteile befinden sich in speziellem Lederfett, mit dem man Stiefel, aber auch Handschuhe und Motorradklamotten schützt. Nach meiner Einschätzungdürfte der Täter, der diese Spuren hinterlassen hat, das Opfer getreten und mit grober Gewalt ans Wasser gezerrt haben. Und es war nicht Silke Kronwald – an ihrer Kleidung sind derlei Substanzen nicht nachweisbar!«
Romy schwieg beeindruckt und schloss einen Moment die Augen. Es war nicht Silke Kronwald, eine wunderbare Nachricht.
»Die Lederstiefel des Opfers sind übrigens mit dem gleichen Lederfett behandelt worden.«
»Danke, Doktor«, sagte Romy leise. »Fantastische Arbeit.« Sie legte das Handy zur Seite und sah Fine an. »Wir brauchen noch einen Haftbefehl und einen Durchsuchungsbeschluss.«
»So was dachte ich mir schon.«
Romy trank in Ruhe ihren Kaffee aus, das Bild von der hübschen, grazilen Lotte vor Augen, wie sie zum Strand hinunterging und der bereits verletzten Monika weitere wutentbrannte Tritte verpasste, um sie dann ans Wasser zu zerren und sich ihrer Stiefmutter endgültig zu entledigen.
Fünf Minuten später ging sie zurück in den Vernehmungsraum und setzte sich mit entspannter Miene an den Tisch. Kaspers verwunderten Blick erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie sah Michael Sänger an. »Ihre Frau war diejenige, die zu Hause die Lederklamotten mit entsprechendem Fett behandelte, nicht wahr?«
»Bitte?«
»Sie erwähnten am Freitagmorgen, als wir vor Ihrer Tür standen und Ihnen das Bild Ihrer Frau zeigten, in Ihrer Verwirrung und Aufregung, dass sie die Stiefel gerade erst eingewachst hätte, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen.«
»Das ist richtig«, entgegnete Sänger irritiert. »Sie hat unsere Stiefel und Handschuhe immer mit einem Spezialzeug behandelt, das sie sogar eigens übers Internet bestellte, weil man es nirgendwo kaufen kann.«
»Auch die Sachen Ihrer Tochter?«
»Ja, natürlich. Was soll das eigentlich?«
Romy fixierte Lotte, die den Blick mit leicht erhobenem Kinn erwiderte. »Wie ich schon vorhin sagte – Ihre Träume möchte ich nicht haben, und Ihre Lügen decken wir gerade auf. Sie haben Monika Sänger schwerverletzt am Strand liegen sehen, soweit stimmt Ihre Geschichte. Sie sind allerdings nicht umgehend nach Bergen zurückgefahren, sondern zu ihr hinuntergegangen. Sie haben zugetreten, Sie haben Ihr den Rest gegeben und Monika anschließend ans Wasser gezerrt, um ganz sicherzugehen, dass sie den Abend nicht überlebt.«
Lottes Mund bildete eine schmale Linie. Hass sprühte aus ihren Augen.
»Substanzen des Lederfetts von ihren Stiefeln und Handschuhen ließen sich in den Wunden im Gesicht sowie an Monikas Haaren und im Nacken feststellen. Wir kümmern uns gerade um einen Haftbefehl für Sie.« Romy drehte den Kopf zu Michael Sänger. »Und Sie, Herr Sänger, sind auch festgenommen, denn die Geschichte mit dem Tod Ihres Freundes überzeugt mich nicht und den Richter wahrscheinlich auch nicht. Darüber hinaus sollten Sie sich mal fragen, wie und warum Ihr süßer kleiner Liebling Lotte zu einer grausamen Mörderin werden konnte.«
Romy wusste, dass ihr der letzte Satz nicht zustand, aus unterschiedlichen Gründen. Aber es war zu spät, ihn zurückzunehmen. Sie spürte plötzlich, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Kasper sprach einen abschließenden Text ins Aufnahmegerät und stand auf, um zwei Wagen zu bestellen. Im Vorbeigehen umfasste er ihre Schulter mit väterlichem Griff.
Der Wind hatte sich beruhigt. Eisige Luft umschloss ihr Gesicht, als sie über die Binzer Seebrücke wanderte und behutsam einen Schritt vor den anderen setzte, um nicht auszurutschen. Eisschollen schaukelten unter dem milchig blauen Winterhimmel.
EPILOG
Silke Kronwald legte die Zeitung
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