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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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war.
    »Also, ich nehme ihm das nicht ab. Der hat damals illegal mit Drogen gehandelt, und der handelt heute noch damit. Wahrscheinlich sogar mit härteren Sachen wie Kokain oder Heroin. Das ist doch für einen Lkw-Fahrer ziemlich einfach, Drogen über die Grenze zu schmuggeln. Die Sattelzüge sind, wie ich gelesen habe, alle verplombt und werden so gut wie nie kontrolliert. Und genau das wird er seinem Freund erzählt haben: Schau, das ist viel und leicht verdientes Geld, fast ohne Risiko. Mach doch mit, ich führe dich auch in die Szene ein. Vielleicht hat Shengali erst mal gezögert, sich dann aber doch überreden lassen. Der brauchte doch auch Geld. Dann aber gab es Zoff zwischen den beiden. Vielleicht haben die Aufträge nicht mehr für beide gereicht, und Shengali bestand weiterhin auf seinem Anteil. Oder er, also Shengali, hat kalte Füße bekommen. Das Ganze ist ihm dann mit der Zeit zu riskant geworden.«
    Jetzt endlich legte Eva Brunner eine Pause ein. Eine zu kurze allerdings, um ihr ins Wort fallen zu können. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann nahm der Gebirgsbach wieder Fahrt auf.
    »Er hat Ostapenko entweder gedroht, er würde damit zur Polizei gehen und alles gestehen. Oder Shengali hat seinen Freund erpresst, wollte nur noch das Geld von ihm haben und sich nicht mehr die Hände schmutzig machen. Da ist alles möglich. Genau weiß ich es natürlich nicht. Auf jeden Fall war Ostapenko dann dermaßen in der Klemme, dass er sich keinen anderen Ausweg mehr wusste und – Shengali erschlagen hat. Und auch die Botschaft, von der Sie gesprochen haben, passt dazu wie die Faust aufs Auge. Die betenden Hände sind eine Warnung: Schau, wir machen sogar einen Moslem katholisch, wenn er nicht spurt. Das passiert jedem, soll das heißen, der aus diesem Drogenring auszusteigen versucht.«
    Nachdem sie ihre Theorie, die sich aus einem großen Fundus an Phantasie speiste, vorgetragen hatte, blickte Eva Brunner sie an.
    Paula Steiner wusste, was ihr Gegenüber jetzt von ihr erwartete: einen kleinen verbalen Applaus, der zudem glaubhaft sein musste. Sie war bereit, ihr diese Art Beifall zu zollen. Aber sie würde ihm ein paar Bedenken beimischen. Vor allem den Gedanken, dass noch andere Theorien neben der Brunner’schen existierten.
    »Das wäre möglich, natürlich, mit Abstrichen. Mit Ihrer Theorie haben Sie Phantasie bewiesen, Frau Brunner. Und Phantasie ist das A und O bei der Mordkommission. Rein lineares Denken hilft bei der Ermittlung nicht immer weiter. So, und nun werden wir Ihre Theorie kritisch hinterfragen, das heißt: auf ihre exklusive Gültigkeit abklopfen. Das mache ich auch immer bei meinen Vermutungen. Erste Frage: Wenn es so ist, wie Sie denken, dann hätte Shengali zumindest eine Zeit lang einen guten Zuverdienst gehabt. Er hätte sich den Opel schon längst leisten können, denn er führt nach dem, was wir gesehen haben, kein aufwendiges Leben. Dann wäre er nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen gewesen. Oder auf die Fahrdienste seines Freundes Ostapenko. Wie erklären Sie sich das?«
    Eva Brunner überlegte. Nach einer langen Weile stimmte sie der Kommissarin zu. »Sie haben recht. Den Opel hatte ich vergessen.« Die Enttäuschung war ihr anzuhören.
    »Aber Frau Brunner, so schnell sollten Sie Ihre Theorie nicht fallen lassen. Ihre Theorie ist eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit von vielen. Vielleicht hatte Shengali Schulden, die er zuerst bedienen wollte oder musste. Anschließend, wenn das aus der Welt geschafft war, hätte er sich den Wagen gekauft. Oder er überwies seiner Verwandtschaft daheim im Irak regelmäßig Geld. Auch das würde erklären, warum er sich den Opel nicht auf die Schnelle hat leisten können, sondern sich vom Mund absparen musste. Alles ist möglich.«
    Die Anwärterin sah sie fragend an. »Was glauben Sie denn, Frau Steiner, wer der Mörder war? Haben Sie auch eine Theorie?«
    »Ich glaube – noch – gar nichts. Und noch viel weniger habe ich eine Theorie. Aber wir haben die betenden Hände. Die gehen mir im Kopf herum. Und selbst dafür kann es eine harmlose Erklärung geben.«
    Das war jetzt wie aus dem Lehrbuch zitiert, wonach man sich am Beginn der Ermittlungen nicht auf ein nebensächliches Detail festlegen soll, aber nicht aufrichtig. Denn sie glaubte nicht an diese »harmlose Erklärung«. Sie war vielmehr, heute mehr als gestern, überzeugt, in Shengalis Händen eine erste Spur zu sehen, die in die richtige Richtung wies. Sie

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