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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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finden Sie den, der das getan hat.«
    »Das hoffen wir auch. Ich möchte Sie aber nicht bei Ihrer Arbeit stören«, sie deutete auf das Headset, »Sie arbeiten sicher für ein Callcenter und müssen immer ansprechbar sein.«
    »Ja, schon, aber ich mache das nur nebenbei, stundenweise, nicht hauptberuflich. Und wenn ich nicht rangehe, übernimmt das Gespräch jemand anders. Das ist nicht weiter tragisch. Chanim, kommst du? Die beiden Damen von der Polizei sind da.«
    Sie hörte eine tiefe Männerstimme laut rufen: »Sofort. Noch zwei Minuten Geduld, dann bin ich da.«
    »Möchten Sie einen Kaffee? Die Zeit dafür wäre ja jetzt ideal«, fragte Stefanie Vitzthum mit einem Lächeln. »Oder vielleicht einen Cappuccino, Latte macchiato, Espresso?«
    »Gern. Aber nur, wenn es keine Umstände macht.«
    »Mir nicht. Höchstens der Espressomaschine. Und die wird nicht gefragt. Also Kaffee oder was anderes?«
    »Gern einen Cappuccino. Daheim habe ich nur eine ganz stinknormale Kaffeemaschine, die so was Exklusives nicht zustande bringt.« Sie sah fragend zu Eva Brunner, die verneinend den Kopf schüttelte.
    Kurz nachdem Stefanie Vitzthum das Zimmer verlassen hatte, war in der Diele eine Tür zu hören. Dann vernahm man Schritte. Chanim Ostapenko kam herein, ein kleiner, kompakter, muskulöser Mann mit einem kreisrunden Kopf, auf dem die blonden stoppelkurzen Haare noch feucht vom Duschen glänzten. Er trug modische Flipflops, eine ausgewaschene gebügelte Jeans, darüber ein enges weißes T-Shirt, worunter sich seine Brustmuskeln eindrucksvoll abzeichneten. Er begrüßte seine beiden Gäste mit festem Händedruck, bevor er sich aufrecht auf das cremefarbene Sofa setzte. Dann wartete er ruhig ab, welche Fragen man ihm stellen würde.
    »Herr Ostapenko, man sagte uns, Sie und Herr Shengali seien befreundet gewesen. Stimmt das?«
    »Ja, das stimmt. Abdu war mein Freund. Ein sehr guter, mein bester Freund, den ich hier in Deutschland hatte.«
    »Von wem haben Sie es erfahren? Dass er tot ist, ermordet wurde, meine ich.«
    »Vom Chef selber.«
    »Von welchem Chef? Vom Junior oder vom Senior?«
    »Vom Senior. Das ist der Chef für uns. Er hat alle Fahrer angerufen. Kurz zuvor waren Sie in der Firma und haben es ihm gesagt. Das ist doch richtig, Frau Steiner?«
    »Ja, das ist richtig. Wann haben Sie Herrn Shengali das letzte Mal gesehen?«
    »Am Montag, ganz in der Früh. Da habe ich ihn von daheim abgeholt und mit zum Hafen genommen. Wenn es geht, mache ich das immer. Dann braucht Abdu nicht mit der U-Bahn und dem Bus zu fahren. Da ist er ja so lang unterwegs. Und mit dem Auto ist man von der Pillenreuther Straße in fünfzehn, spätestens zwanzig Minuten in der Donaustraße.«
    »Seine Tochter sagte, ihr Vater wollte sich bald selbst ein Auto kaufen. Einen Opel.«
    »Hm«, brummte Ostapenko zustimmend. »Einen Opel Astra. Keinen gebrauchten, neu musste er sein. Ich hab ihn damit immer aufgezogen. ›Was‹, hab ich gesagt, ›so ein kleines Auto für so eine große Familie? Und wenn jemand aus der Heimat kommt, wo willst du den dann hinsetzen? In den Kofferraum?‹ Doch er war davon nicht abzubringen. Für Abdu war Opel das typischste deutsche Auto. Und damit das beste. Der wollte gar keinen Mercedes oder BMW. Oder Audi.«
    Stefanie Vitzthum, die in dem Moment mit einem kleinen Tablett, auf dem drei dampfende Becher und eine Schale Kekse standen, hereinkam, korrigierte ihren Mann: »Chanim, hast du schon mal dran gedacht, dass Abdu sich einen teuren Mercedes oder Audi gar nicht hätte leisten können? Der wäre doch froh gewesen, wenn es irgendwann überhaupt einmal zu einem Auto gereicht hätte. Und wenn es ein Opel ist.«
    Paula Steiner griff zu ihrem Becher und löffelte die weiße obere Schicht vorsichtig ab. Der Schaum war für sie das Beste, und dieser Cappuccino schmeckte einfach köstlich. Sie langte in die Keksschale und legte drei Miniflorentiner auf die Serviette, die ihre Gastgeberin neben ihren Becher platziert hatte. »Welche Marke fahren Sie denn, Herr Ostapenko?«
    »Bis jetzt noch einen 3er BMW, aber wir sparen schon auf einen neuen 5er. Vierzylinder, Stereoanlage, Ledersitze, dunkelblau metallic und Turbolader.«
    Und das alles von neunzehnhundert Euro brutto? »Was kostet denn so ein Geschoss?«
    »Sechsunddreißigtausend Euro. Das ist deswegen so billig, weil die meinen alten BMW in Zahlung nehmen. Für wirklich viel Geld.«
    Stefanie Vitzthum sah wohl die Fragezeichen und Skepsis im Gesicht der Kommissarin.

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