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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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gekommen, seit 2003 mit einer Deutschen verheiratet, Stefanie Vitzthum, die ihren Namen behalten hat, genau wie ihr Mann, seit vier Jahren Vater eines Sohnes, Lukas Vitzthum. Ich denke, die haben sich gedacht, ein Lukas Vitzthum hat es in Deutschland einfacher als ein Lukas Ostapenko. Sowohl in der Schule als auch bei der Berufsbildung. Und dann erst bei der Arbeitssuche. Damit haben sie ja auch sicher recht, oder?«
    Aus dem sprudelnden Gebirgsbächlein war nun ein reißender Strom geworden, der in rasantem Tempo ins Tal stürzte. Und es gab nichts, was ihn auf seinem noch langen Weg dorthin hätte aufhalten können, musste Paula Steiner erkennen.
    »Das hört sich alles noch sehr harmlos an, aber jetzt kommt es: Ostapenko ist«, Eva Brunner machte eine kurze Pause, um der Information, die nun folgen sollte, die entsprechende Aufmerksamkeit ihrer Interimsvorgesetzten zu sichern, »vorbestraft. Wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. 2001 hat man bei einer Kontrolle an der deutsch-holländischen Grenze 45,5 Gramm Haschisch bei ihm gefunden. Er wurde dann noch im selben Jahr ›wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge‹ zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Dass er dabei so verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist, lag nur daran, dass das Gericht keine Gewerbsmäßigkeit in Ostapenkos Handeln erkennen konnte. Sonst wäre es wesentlich mehr gewesen. Die haben ihm das abgenommen, dass er das Haschisch nur für den Eigenverbrauch gekauft hatte. Fast sechsundvierzig Gramm für den Eigenverbrauch! Das ist doch zumindest fraglich. In Maastricht war das im Übrigen, nicht in Amsterdam. Wobei ich immer geglaubt habe, man kriegt solches Zeug nur in …«
    Die Kamelkarawane setzte sich wieder in Gang. So viele Worte zu so früher Stunde war Paula Steiner einfach nicht gewohnt.
    »… Amsterdam. Ich habe da auch schon eine Theorie. Wollen Sie sie hören?«
    Nein, wollte sie nicht. Weder eine Theorie noch ein einziges weiteres Wort aus dieser unverschämt munteren und fröhlichen Sprechmaschine, die ihr da gegenübersaß.
    »Ja, natürlich, gerne«, antwortete sie. »Vorher muss ich aber erstens bei der Spedition Frey anrufen. Und zweitens bei Frau Shengali.« Und drittens, fügte sie in Gedanken hinzu, brauche ich jetzt unbedingt fünf Minuten lang absolute Ruhe.
    Sie stand auf, ging in die winzige Teeküche des Kommissariats, schloss die Tür hinter sich, entnahm dem Gemüsefach des Kühlschranks ihr Deponat für den Notfall – eine Schachtel HB –, öffnete das Fenster weit und zündete sich gierig eine Zigarette an. Den Rauch blies sie in großen Schwaden aus dem Fenster. Sie genoss die Stille und das Nikotin.
    Zehn Minuten später saß sie wieder auf ihrem Bürostuhl und wählte die Nummer der Spedition. Sie hatte Glück. Joachim Frey meldete sich nach dem ersten Klingelton. Sie stellte sich vor, langsam, Wort für Wort, mit Namen, Rang und Dezernat. Sie wollte ihm Zeit geben zu verstehen, welche Richtung das Gespräch nehmen würde. Zeit, die er nicht nutzte.
    »Polizei? Na endlich. Sie haben meinen Lkw.«
    »Nein, Herr Frey. Ich bin, wie schon gesagt, von der Mordkommission«, sie betonte die erste Silbe, »ich untersuche in erster Linie den Mord an Ihrem Mitarbeiter. Und dazu habe ich eine Frage: Ihr Vater sagte uns gestern, Sie wissen, wann Herr Shengali vorgestern frühmorgens die Spedition verlassen hat. Sie haben ihn gesehen?«
    »Ach so, das. Eine schreckliche Sache. Ja, ich habe ihn am Montag noch gesehen. Kurz nach halb sieben war das. Da ist er vom Hof. Und in punkto Lkw, da hat sich wohl noch nichts getan?«
    Sie überhörte seine Frage. »Gegen sechs Uhr dreißig, aha. Herr Shengali hatte eine Tour nach Albanien. Wie fährt man denn dahin für gewöhnlich, welche Route ist die gängigste?«
    »Sinnvoll ist nur eine. Erst die A 9 bis München, dann die A 8 nach Salzburg, dort über die Grenze, Villach, Ljubljana …«
    »Danke, das genügt schon.« Gegen acht Uhr erhielt der Fahrer den Schlag mit der Stange, da war er neunzig Minuten unterwegs. »Wann legen Ihre Fahrer in der Regel die erste Pause ein?«
    »Nach viereinhalb Stunden. Das ist Vorschrift.« Also hatte Shengali vorher gehalten, aus welchen Gründen auch immer.
    »Aber sie müssen diese viereinhalb Stunden nicht bis zur letzten Minute ausnutzen, sie könnten schon vorher halten. Oder?«
    »Können schon. Doch wozu? Unsere Fahrer stehen unter enormem Zeitdruck, bei großen genauso wie bei kleinen Touren.

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