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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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glaubte zudem, oder besser: sie hatte sich bereits darauf festgelegt, dass wer auch immer den Toten da am Wasserwerk so drapiert hatte, damit ein Signal, eine Warnung verbinden wollte. Aber an wen? Und dann: Welche Art Botschaft konnte ein Lkw-Fahrer mit neunzehnhundert Euro brutto im Monat transportieren? Sie schickte ihre Gedanken auf Wanderschaft. Bevor diese allerdings die erste Weggabelung erreicht hatten, wurden sie vom Tatendurst einer eifrigen Anwärterin ausgebremst.
    »Was unternehmen wir als Nächstes, Frau Steiner?«
    Sie merkte, wie sich ihr Wohlwollen gegenüber dem »würdigen Ersatz« für Heinrich langsam erschöpfte. »Was würden Sie denn machen?«
    »Ich würde den Ostapenko vernehmen.«
    Sie sah auf die Uhr. Kurz vor eins. »Wenn er schon daheim ist, machen wir das. Ich fürchte jedoch, der ist noch unterwegs.« Sie überlegte. »Am besten, Sie rufen in der Spedition an und lassen sich seine Handynummer geben. Und fragen ihn dann selbst, wann wir ihn sprechen können. Ich bin gleich wieder da.«
    Sie musste jetzt auf der Stelle allein sein. Eine Viertelstunde lang allein sein. Fernab der Beobachtung und Kontrolle von Eva Brunner.
    Sie marschierte zu ihrem Rückzugsdomizil. Doch die Teeküche war von drei Mitarbeitern Trommens belegt, die vor der Mikrowelle anstanden. Sie fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss, ging über den weitläufigen Hof bis zur Polizeistation Nürnberg Mitte, grüßte die verdutzten Kollegen, drehte um und kehrte langsam zu ihrem Arbeitsplatz zurück, wobei sie immer wieder tief ein- und ausatmete.
    »Also, der Ostapenko ist tatsächlich noch unterwegs. Wie Sie vermutet hatten. Der war in der Schweiz, ist gerade beim Ausladen am Stadtrand von Nürnberg und wird so in einer, spätestens zwei Stunden daheim sein.« Wieder dieser erwartungsvolle Blick.
    »Gut. Dann passt es ja. Wir fahren um fünfzehn Uhr hier weg.«
    »Kann ich jetzt in die Mittagspause gehen, oder brauchen Sie mich noch?«
    »Natürlich, gerne, Frau Brunner. Und lassen Sie sich ruhig Zeit. Uns läuft hier niemand davon.« Wenn überhaupt, ergänzte sie in Gedanken, dann nur ich.
    Nachdem sie die Bürotür geschlossen hatte, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, legte die Füße auf die Heizung und schloss die Augen. Sie genoss diese himmlische Stille und das Alleinsein. So sehr, dass sie dafür sogar ihren wachsenden Hunger in Kauf nahm. Und doch, ein wenig übel nahm sie es Eva Brunner schon, sie um ihr heutiges Mittagessen gebracht zu haben, auf das sie sich bereits beim Frühstück gefreut hatte. Mittwochs gab es in der Kantine immer Grießnockerlsuppe, Leberkäse mit Ei und Bratkartoffeln – und als Nachtisch Himbeerquark.
    Zwei Stunden später machten sich eine hungrige Kommissarin und ihre satte Assistentin auf den Weg zu Shengalis Freund. Chanim Ostapenko wohnte in der Rankestraße im Stadtteil Gleishammer. Ein Kleinbürgerviertel mit billigen Zwei- und Dreizimmerwohnungen, Robinien und Rainweiden in den Vorgärten, die jetzt verblüht und trist im Nieselregen standen. Kleinwagen an Kleinwagen, sauber gepflegt, viele mit Aufklebern des 1. FCN am Heck.
    Es war Stefanie Vitzthum, die ihnen die Tür öffnete. Eine hübsche schlanke Frau Mitte dreißig, schwarze Leggins, darüber ein geblümter Ballerinenrock. Ein Headset auf dem Kopf mit einem haselnussgroßen Mikrofon an einem Bügel, was auf eine Arbeit für ein Callcenter schließen ließ. Sie führte die beiden Polizistinnen ins Wohnzimmer. Ein großer, lichtdurchfluteter Raum. In der Mitte stand ein Glastisch, außerordentlich modern, mit einem Computer darauf. Zwei Sessel und ein Sofa von der Sorte, wie man sie nur in Architekturzeitschriften findet.
    »Mein Mann kommt gleich. Er ist noch kurz unter der Dusche.«
    »Kannten Sie Herrn Shengali, Frau Vitzthum?«
    »Ja. Drei- oder viermal hab ich ihn gesehen. Häufiger sicher nicht. Aber am Telefon habe ich oft mit ihm gesprochen, wenn er mit Chanim reden wollte. Was man halt so spricht, bis man den Hörer weiterreicht. Und Abdu war ein gut erzogener, ein ganz lieber Mensch, der sich immer nach mir erkundigt hat. Wie es mir geht, was Lukas macht, solche Sachen eben. Ich hatte auch den Eindruck, es interessiert ihn wirklich. Er fragte nicht bloß aus Höflichkeit, weil sich das so gehört.«
    Als sich ihre Blicke trafen, ergänzte Stefanie Vitzthum: »Ich habe ihn richtig gern gehabt. Das ist schon eine ganz schlimme Sache. Und für meinen Mann erst! Dem geht das furchtbar an die Nieren. Hoffentlich

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