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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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hatte, den Gesprächsverlauf. »Der hat sich wohl am Telefon recht aufgemandelt?«
    »Ich mache so was nicht gerne, Frau Brunner. Die Leute werden dadurch noch vorsichtiger, zurückhaltender, als sie im Umgang mit der Polizei eh schon sind. Aufgemandelt? Nein. Eher unwillig. So, jetzt noch Frau Shengali, und dann möchte ich aber unbedingt Ihre Theorie hören.«
    Sie schenkte der Anwärterin dafür, dass sie sie ein weiteres Mal auf später vertröstet hatte, ein kurzes Lächeln.
    Bei Familie Shengali hatte sie kein Glück. Es war belegt. Da aber Geduld nicht zu den Stärken Paula Steiners gehörte, versuchte sie es wieder und wieder. Nach zwanzig Minuten endlich das Freizeichen. Eine männliche Stimme meldete sich. Sie verlangte Solin Shengali. Oder deren Schwester.
    »Solin und ihre Schwester sind nicht da. Aber ich kann Ihnen sicher weiterhelfen, Frau … Steiner war Ihr Name, ja?«
    »Ja, Steiner. Mordkommission. Und Sie sind?«
    »Bassim Eshaya. Ich bin der Neffe, Frau Shengali ist meine Tante. Was kann ich für Sie tun?« Da hatte aber jemand gute Manieren! Ganz im Gegensatz zu seiner Cousine Solin. Und dann dieser flötende Singsang, der wie ein Gedicht aus Tausendundeine Nacht klang – unendlich weich, einladend nachgiebig – und der ihr so bekannt vorkam. Gerhards Bekannter redete genauso. Wenn er sich nicht gerade über Frauen, die es den Raben gleichtun sollten, ausließ. Dann dröhnte dieser Akzent mit seinen kurz intonierten Silben und den grollenden Rs eher wie ein Maschinengewehr. Trotzdem, sie hörte diese Sprachmelodie gern, diese eigentümliche Symbiose aus seelenvollem Säuseln und herbem Rumoren.
    »Bitte fragen Sie Frau Shengali, ob sie am Freitagvormittag ins Polizeipräsidium kommen kann. Es gibt noch einiges zu klären.«
    Sie hörte, wie er die Frage weitergab. Und sie hörte die Antwort, eine lange und stellenweise aufgeregt klingende Antwort. Dazwischen immer wieder der beruhigende Singsang Eshayas.
    »Natürlich, Frau Steiner, wir werden kommen. Wann ist es Ihnen recht?«
    »Wer ist wir?«
    »Meine Tante und ich, ich werde sie begleiten. Wie Sie wissen, spricht Tante Ghofram kein Wort Deutsch. Ich werde für sie übersetzen. Das ist doch auch in Ihrem Sinn.« Das war keine Frage, das war eine Feststellung.
    Nein, das war nicht in ihrem Sinn. Dennoch widersprach sie nicht. Sie war neugierig geworden. Sie wollte das neue Familienoberhaupt selbst in Augenschein nehmen. Außerdem wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, sein Angebot und damit vor allem ihn selbst jetzt am Telefon abzuweisen – denn dann würde auch Tante Ghofram nicht erscheinen.
    »Wenn Sie es einrichten könnten, wäre mir neun Uhr dreißig sehr angenehm.«
    »Natürlich, gerne, wir werden pünktlich da sein. Noch einen schönen Tag für Sie.«
    Sie würde die Übersetzungsdienste des Herrn Eshaya nicht in Anspruch nehmen. Also bestellte sie eine Dolmetscherin, die ihr schon ein paarmal bei Vernehmungen mit Arabern assistiert hatte, für Freitagmorgen ins Präsidium ein. Eine ältere Frau, gut über die sechzig, warmherzig und, wenn es darauf ankam, mit Witz und Charme.
    »Wie stellen Sie sich meinen Auftritt vor? Als voll integrierte Deutschmuslimin mit kniekurzem Rock oder als teilintegrierte Kopftuchmuslimin in den neuesten Schlammfarben?«
    Sie lachte. »Wie Sie möchten. Das überlasse ich Ihnen. Mir ist nur wichtig, dass sich Frau Shengali bei dem Gespräch sicher und wohlfühlt.«
    Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und nickte Eva Brunner auffordernd zu. Die schien darauf nur gewartet zu haben.
    »Nach allem, was ich … äh, wir über Shengalis Freund Ostapenko herausgefunden haben, glaube ich, dass der Mord was mit Drogenschmuggel zu tun hat. Der Ostapenko ist ja deswegen vorbestraft. Also wegen Drogenbesitz. Wobei mich wundert, dass die Spedition ihn eingestellt hat. Trotz seiner Vorstrafe! Die müssen das doch gewusst haben. Na egal. Ich glaube auch, der Ostapenko hat damals vor Gericht gelogen. Das war kein Haschisch für den Eigenbedarf, der hat damit gehandelt. Über fünfundvierzig Gramm für den Eigenbedarf! Das ist doch viel zu viel. Oder was denken Sie?«
    Paula Steiner zuckte lächelnd mit den Schultern und legte die Hände ganz langsam auf den Schreibtisch. Sie ahnte, worauf Eva Brunners Theorie hinauslaufen würde, zwang sich aber zu Geduld und Freundlichkeit. Eine angestrengte Freundlichkeit, die noch eine Weile vorhalten würde, aber nicht über Gebühr zu strapazieren

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