Duerers Haende
erlag.
Als sie aufwachte, stand Stefanie Vitzthum lachend vor ihr, ein Tablett mit Gläsern und einer Wasserflasche in den Händen.
»Das ist mir jetzt aber unangenehm! Entschuldigen Sie. Wie lang habe ich denn geschlafen?«
»Nicht lange, höchstens eine Viertelstunde. Lukas hat sich heute ausnahmsweise ganz brav ins Bett bringen lassen. Sie sind sicher mit dem Auto da. Trinken Sie wenigstens ein Glas Wasser mit mir?«
»Ja, gern.« Während ihre Gastgeberin einschenkte und sich setzte, überlegte sie. Sie hatte sich doch auf der Herfahrt eine hochsensible Gesprächsstrategie zurechtgelegt …
»Sagt Ihnen der Name Karsten Kramer etwas?«
»Ich glaube, schon. Warum?«
Sie merkte, wie die helle, klare Stimme zunehmend kühler wurde.
»Weil er der Arbeitsvermittler Ihres Mannes war, ein privater Arbeitsvermittler, und weil Herr Kramer gestern Abend umgebracht wurde.«
»Und da denken Sie, mein Mann hat damit etwas zu tun?«, fragte Stefanie Vitzthum. Sie war empört und starrte sie fast feindselig an.
»Nein, das denke ich nicht. Bitte beruhigen Sie sich.« Eine hochsensible Gesprächsstrategie, die voll in die Hose gegangen war. »Also, noch mal von vorn. Dieser Karsten Kramer ist ermordet worden, und zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlungen müssen wir davon ausgehen, dass er derjenige war, der seinerseits Herrn Shengali umgebracht hat. Das, und nur das wollte ich Ihnen damit sagen. Ich dachte, die Information ist zumindest für Ihren Mann wichtig. Ich hatte den Eindruck, ihn interessiert das.«
Stefanie Vitzthum quittierte diese Zusatzinformation mit einem gleichgültigen Achselzucken. »Nicht nur meinen Mann, mich interessiert auch, wer Abdu auf dem Gewissen hat. Jetzt wissen wir’s. Und, weiter?« Sie war noch immer auf der Hut vor dieser Kommissarin mit ihren unvermittelten wie beleidigenden Anschuldigungen.
Es entstand eine lange Pause, dann endlich sagte Paula Steiner: »Als ich das letzte Mal bei Ihnen war, machten Sie eine Andeutung über Anzeigen und Gutscheine, die mit einer Benachteiligung Ihres Mannes sowie von Herrn Shengali zu tun hätten. Sie haben das dann leider nicht weiter ausgeführt, weil Ihr Mann das anscheinend nicht wollte. Darüber würde ich von Ihnen jetzt gern Näheres wissen.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.« Die Antwort kam zu schnell, um glaubwürdig zu sein.
»Können oder wollen Sie sich nicht erinnern?«
Wieder entstand eine lange Pause. Sie nippte an ihrem Wasserglas und wartete beharrlich ab. Schließlich wurde ihre Geduld belohnt.
»Ja, vielleicht habe ich so etwas gesagt. Aber was hat das mit dem Mord an diesem Kramer zu tun?«
»Sehr viel, Frau Vitzthum. Vor allem hat das, was hinter diesen Prämien und Gutscheinen steckt, sprich: die Arbeitsaufnahme über einen privaten Vermittler, auch eine ganze Menge mit dem Mord an Shengali zu tun. Schauen Sie, ich bin ganz offen zu Ihnen: Wir sind ziemlich sicher, dass Kramer ihn umgebracht hat, aber uns fehlt das Motiv dafür. Und wir vermuten, dass uns dieses Motiv, wenn wir es denn hätten, auf direktem Weg auch zu Kramers Mörder führen könnte.«
»Dazu kann ich nichts sagen.« Stefanie Vitzthum gab sich nicht einmal die Mühe, ihr Desinteresse zu verbergen.
Paula Steiner erkannte, dass sie hier mit einer sensiblen Strategie nicht weiterkam, hier half nur die Holzhammermethode. »Schade, sehr schade. Wir sind davon überzeugt, dass Herr Shengali sterben musste, weil er etwas wusste. Etwas, was er besser nicht hätte wissen sollen. Etwas, was auch Ihr Mann weiß.«
Sie ließ ihrem Gegenüber Zeit, um aus diesem Gespinst aus Spekulation und versteckter Warnung die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dann setzte sie hinzu: »Insofern sind wir des Weiteren davon überzeugt, dass dieses Wissen auch für Ihren Mann lebensgefährlich, so tödlich wie für Herrn Shengali, werden könnte. Schneller, als er sich vorstellen kann.«
Das musste fürs Erste reichen, fand sie. Sie schätzte Stefanie Vitzthum als so intelligent ein, dass diese sich den Rest selbst ausmalen würde. Wenn es etwas auszumalen gab. Wovon sie mehr und mehr überzeugt war.
Stefanie Vitzthum stand abrupt auf und sagte: »Ich muss mal nach Lukas schauen. Manchmal liegt er nämlich wach in seinem Bettchen und weint.«
Sie glaubte ihr nicht. Aber sie sah darin eine Chance für sich: Ein Blick auf diese propere Miniaturausgabe des Chanim Ostapenko würde ihre Zeugin mehr als alles andere zum Reden bringen.
Nach einer Weile kehrte Stefanie Vitzthum
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