Duerers Haende
zurück und eröffnete ihr noch im Stehen: »Es geht um Zigarettenschmuggel.«
Dann setzte sie sich und beugte sich zu ihr vor. »Chanim und Abdu sollten im großen Stil illegal hergestellte Zigaretten aus Albanien nach Tschechien einführen. Zu diesen Verkaufsbuden an der tschechisch-deutschen Grenze, also nicht zu den Duty-free-Shops, sondern dahinter zu den fliegenden Händlern. Ich glaube, das sind in der Mehrzahl Vietnamesen.«
»Von wem ging das aus?«
»Na, von diesem Kramer und dem Juniorchef von Frey-Trans.«
»Hm. Bitte erzählen Sie weiter. Alles, was Sie dazu wissen.«
»Vor einem Jahr hat Frey sowohl meinen Mann als auch Abdu das erste Mal darauf angesprochen. Das wäre eine ganz sichere Sache: Sie fahren mit legaler Ware nach Tirana, laden dort ab, laden dann die illegale Ware, also die unversteuerten Zigaretten auf, der Lkw wird verplombt, fährt angeblich leer nach Tschechien ein, wo es angeblich keinerlei Kontrollen gibt, wird dort entladen und fährt nun wirklich leer zurück nach Deutschland. Einmal im Vierteljahr. Abdu und mein Mann hätten abwechselnd fahren sollen, einmal Abdu, dann wieder Chanim. Bei der Sache wäre für sie finanziell natürlich etwas drin gewesen. Ein sogenannter Sonder-Bonus von ein paar hundert Euro pro Fuhre. Das war das Angebot von Frey, der wohl dachte, die beiden machen das, weil sie Geld brauchen und weil sie als Ausländer es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen.«
Und sicher auch deswegen, weil Frey in Ostapenko mit seiner einschlägigen Vorstrafe einen passenden Kandidaten dafür gesehen hatte, ergänzte die Kommissarin in Gedanken.
Stefanie Vitzthum machte eine Pause. Sie schwieg so lange, dass Paula Steiner nachhelfen musste: »Aber Ihr Mann und Herr Shengali haben das Angebot abgelehnt?«
»Ja. Natürlich. Was glauben Sie denn? Die beiden waren doch froh, eine anständige Arbeit zu haben. Mit der sie auch ihre Familie halbwegs anständig ernähren können. Und Abdu ist gern nach Tirana gefahren, der hat sich über diese Langstrecke richtig gefreut. Auch Chanim ist mit Leib und Seele Berufskraftfahrer. Ihm gefällt das, immer unterwegs sein, in fremde Länder fahren, der Austausch, der Zusammenhalt mit den anderen Fahrern, die er auf den Rastplätzen trifft. Und dann: Keiner steht hinter ihm und redet ihm rein, wie er seine Arbeit zu machen hat. Das ist meinem Mann sehr wichtig.«
»Also ist Joachim Frey der Drahtzieher bei dieser Idee. Und was hat Kramer damit zu tun?«
»Nachdem Frey sein Angebot wiederholt hat und nochmals und nochmals und dabei immer drängender wurde, sich aber jedes Mal die gleiche Antwort – ein klares Nein von beiden Seiten – anhören musste, hat er Abdu mit der Kündigung gedroht. Wenn die anderthalb Jahre rum sind, sagte Frey, kündigt er ihm. Ein Grund dafür finde sich immer. Er hat wohl gedacht, Abdu ist von seinem Arbeitsplatz abhängiger als mein Mann. Auf jeden Fall hat Frey seine Drohung dann pünktlich wahrgemacht: Vor ein paar Wochen erschienen die ersten Anzeigen von ihm in der Job-Börse der Agentur für Arbeit: Frey-Trans sucht einen Fahrer.«
Hier machte Stefanie Vitzthum eine Pause, um zu sehen, wie die Kommissarin diese Demütigung Shengalis aufnehmen würde, dann fuhr sie fort: »Aber Abdu wollte seine Arbeit unbedingt behalten. Er ging daraufhin zu diesem privaten Arbeitsvermittler, zu Kramer, dem er wohl vertraute, und erzählte ihm alles. Die Sache mit dem Zigarettenschmuggel und die Drohung mit der Kündigung. Weil er hoffte, dass Kramer ihm irgendwie helfen könnte und würde. Da hatte er sich aber schwer getäuscht. Kramer klärte ihn nämlich auf, dass er ihn ausschließlich deswegen vermittelt habe, damit er diesen Zusatzjob macht. Er, Kramer, sei ihm ja schließlich auch entgegengekommen, habe ihn unter seine Fittiche genommen und ihm diesen Arbeitsplatz verschafft, trotz vieler Gründe, die dagegen sprachen. Ausländer, keine Fahrpraxis, von daher längere Einarbeitungszeit, Deutschkenntnisse nicht optimal. Da könnte man ja umgekehrt auch eine ›kleine Gefälligkeit‹, so hat es dieser Kramer wirklich genannt, von ihm erwarten.« Entrüstung und unverhüllte Verachtung für den Antiquitätenliebhaber sprachen aus ihrem letzten Satz.
»Für Abdu war das natürlich der reine Horror. Er hatte ja immer geglaubt, man schätze ihn wegen seiner Zuverlässigkeit, weil er keine Punkte in Flensburg hatte, worauf er immer stolz war, weil er unbezahlte Überstunden machte und so weiter. Und jetzt das. Und
Weitere Kostenlose Bücher