Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
gestoppt wissen.
»Ich sehe noch keine Polizeifahrzeuge.«
»Die haben sich wahrscheinlich hinter der Brücke positioniert, damit von Alsen sie nicht wieder zu früh entdeckt. Wenn er erst mal mitten auf der Brücke ist, kann er uns nicht mehr entwischen.«
Sie fuhren in hohem Tempo auf die Fehmarnsundbrücke zu. Da sahen sie ihn wieder! Aus dem Auspuff des Geländewagens stießen schwarze Rauchwolken.
Pia gab eine Positionsmeldung des Rovers durch. »Es hat ihm den Motor zerlegt. Wahrscheinlich die Zylinderkopfdichtung. Weit kommt er damit nicht mehr.«
Lessing lockerte seine Hände am Lenkrad. »Gleich haben wir ihn«, murmelte er. »So ein Idiot!«
Die Brücke war leer. Als sich der Geländewagen dem Scheitelpunkt der Brücke näherte, leuchteten seine Bremslichter auf. Plötzlich zog der Rover quer auf die Gegenspur, setzte zurück und kam dann direkt auf sie zu.
»Verdammt, was soll das denn?« Lessing bremste und versuchte dann, dem auf sie zurasenden Fahrzeug auszuweichen.
Pia starrte wie hypnotisiert auf den Range Rover. Sie erkannte Enno von Alsen am Steuer. Wollte er sie frontal rammen? Hatte er den Verstand verloren? Felix! Obwohl nur Bruchteile von Sekunden vergingen, dachte Pia an ihr Kind. Sie dachte an Hinnerk und auch an Marten, und an die Dinge, die sie noch hatte sagen wollen.
Lessing setzte alles daran, im letzten Moment an dem Rover vorbeizuziehen. Der Wagen schleuderte, und der Geländewagen traf ihr Fahrzeug am Heck. Es gab einen Knall, einen heftigen Ruck und ein kreischendes Schleifgeräusch.
Pia sah die äußere Leitplanke, die Begrenzung zur Bahnlinie, dann wieder eine Brückenstrebe auf sich zukommen. In ihrer Vorstellung flog sie schon mitsamt dem Wagen über das Brückengeländer und dann auf die Wasseroberfläche zu. Sie schrie auf. Dann war alles still.
26. Kapitel
P ia hörte sich stöhnen. Sie lebte noch. In ihrer Schulter pochte ein dumpfer Schmerz. Sie blinzelte in helles, milchiges Licht. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass das, was sie sah, die in feine Splitter zersprungene Windschutzscheibe war. Das Glas schimmerte matt im Nachmittagslicht. Wo war sie? Sie erblickte den leeren Airbag, und die Erinnerung war wieder da: Sie befanden sich auf der Fehmarnsundbrücke. Lessing und sie hatten Enno von Alsen verfolgt. Die Autos waren zusammengeprallt.
»Nathan?«
Er antwortete nicht. Pia konnte keine äußerlichen Verletzungen erkennen, aber er schien bewusstlos zu sein. Ihr Kopf dröhnte ebenfalls.
»Nathan!«
Sie sah einen Schatten an der Beifahrertür. Die Kollegen reagierten schnell, dachte Pia. Oder waren das sogar schon die Rettungskräfte? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Seit dem Aufprall konnten Sekunden, aber auch eine halbe Stunde vergangen sein. Die Beifahrertür wurde mit einem hässlichen Knarren aufgerissen.
»Raus mit Ihnen!« Jemand zerrte sie am Arm aus dem Wagen. Drohte das Auto zu explodieren? Dann erst sah sie, dass es Enno von Alsen war, der sie vom Fahrzeug wegzog. Sie stolperte, war zu benommen, um Widerstand zu leisten.
»Mein Kollege ist noch da drin. Wir müssen ihn auch rausholen!«
»Nein, der bleibt, wo er ist. Los!« Von Alsen zog so heftig an ihrem Oberarm, dass sie herumschleuderte. Da bemerkte sie sie: drei Polizeifahrzeuge, die sich mit Blaulicht von Fehmarn her der Unfallstelle näherten. Enno von Alsen hatte die Streifenwagen ebenfalls entdeckt. Er zog etwas aus seiner Jackentasche. Ehe Pia reagieren konnte, fühlte sie einen Stich an ihrem Hals. »Ihr denkt wohl, ich bin so leicht hereinzulegen? Aber so einfach ist das nicht. Dann geht es eben nicht anders.«
Pia versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Was war das an ihrem Hals? Eine Pistole zumindest nicht.
»Ganz ruhig. Ich will Sie nicht verletzen. Ich tue nur, was ich tun muss. Lebendig kriegt ihr mich jedenfalls nicht.«
»Was soll das?«
»Weitergehen!« Er stieß Pia vorwärts in Richtung Leitplanke, die einen schmalen Radweg von der Fahrbahn abtrennte. Bei jedem Schritt fühlte sie, wie sich etwas Dünnes, Spitzes in ihre Haut bohrte. Von Alsen zwang sie, über die Leitplanke auf den Radweg zu steigen. Pia konnte über die Brüstung hinunter auf die Wasseroberfläche sehen. Etwa zwanzig Meter unter ihr lag die Ostsee. Das Wasser schimmerte grünblau und wurde von winzigen Wellen gekräuselt. Weiter hinten sah sie ein Segelschiff, dessen Skipper wohl nicht die geringste Ahnung von den Vorgängen hier oben hatte. Das Ding an ihrem Hals war eine
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