Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
zuversichtlich zu klingen. »Ihre Tochter ist in einem schwierigen Alter. Da probiert man schon mal aus, wie weit man gehen kann.«
»Ich glaube, sie ist seit ihrer Geburt in einem schwierigen Alter.« Enno von Alsen sah mit roten Augen zu ihr auf.
»Wissen Sie, ob Tizia einen festen Freund hat?«
»Nein. Sie hat in letzter Zeit nichts von einem Freund gesagt. Immer nur Partys feiern, abhängen und chillen oder wie die jungen Leute das nennen. Ja keine festen Bindungen eingehen, keine Verpflichtungen.«
Pia trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. »Wir haben eine Aussage erhalten, dass Tizia mit einem Mann gesehen worden ist.«
»Ach ja?«
»Es war André Falke.«
Er schluckte. »Sie hatte keinen Kontakt zu Falke! Da bin ich mir hundertprozentig sicher.« Er sah Hilfe suchend zu Broders, der stumm dastand.
»Ihre Tochter kannte die Falkes. Mona Falke war Ihre Nachbarin.«
»Tizia konnte Mona nicht ausstehen.«
»Was sie nicht daran gehindert haben muss, den Sohn zu mögen.«
»Hören Sie! Der war kein Umgang für mein Kind! Er war wegen Drogengeschichten und wer weiß was sonst noch alles im Gefängnis. Meine Tochter wusste das. Sie hätte nie …« Er stockte.
»Nie was ?«, schaltete sich Broders ein.
»Sie hätte sich nie mit einem Typen wie André Falke eingelassen«, erklärte von Alsen. Ein Muskel unter seinem rechten Auge zuckte.
»Das wird sich noch herausstellen.« Pia sah zum Fenster hinaus. »Tizia hat ein paar Sachen mitgenommen, sagten Sie?«
»Ja. Eine Reisetasche und einige Kleidungsstücke fehlen.«
»Das spricht doch dafür, dass sie freiwillig verschwunden ist«, meinte Pia. »Hat Ihre Tochter Geld zur Verfügung?«
»Sie besitzt ein Sparbuch, auf das ihre Großmutter seit Jahren regelmäßig für sie einzahlt. Und sie muss auch noch Bargeld von ihrem Geburtstag vor ein paar Wochen haben. Sie bekommt hundert Euro Taschengeld im Monat.«
»Wenn sie ihr Geld von ihrem Sparkonto abheben konnte, eröffnet das für eine Siebzehnjährige schon einen gewissen Handlungsspielraum«, sagte Broders ungerührt.
Von Alsens Kopf fuhr hoch. »Natürlich! Das ist es! Sie will unbedingt zu ihrer Mutter in die Staaten«, rief er. »Tizia hat in der letzten Zeit dauernd davon gesprochen, dass sie zu Lindsay will. Und seit ein paar Tagen dann gar nicht mehr …«
Broders straffte sich. »Ich lasse vorsichtshalber mal die Flughäfen und Bahnhöfe im Umkreis informieren.«
»Hatte Ihre Tochter Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter?«
»Lindsay hat sich nie viel um Tizia gekümmert. Sie sagte immer, sie könne mit Kindern nichts anfangen. Aber nun, da Tizia fast erwachsen ist, kann sich das natürlich geändert haben. Sie haben sich wohl ein paarmal gemailt. Ich erfahre leider nicht alles, was in diesem Haushalt vor sich geht.«
Die Tür schwang auf, und Carola von Alsen stand wieder in der Küche. Sie hielt das Telefon in der Hand. Ihr Gesicht war gerötet. »Ich habe gerade mit meinem Bruder gesprochen. Jörg sagt, Tizia sei gestern Abend bei ihm gewesen. Sie hat eine Mitfahrgelegenheit gesucht!«
»Sie schon wieder?« Jörg Seesen stand in der Tür, die Hände seitlich im Türrahmen abgestützt. »Ich habe meiner Schwester schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Können wir das im Warmen bereden?« Pia zog fröstelnd die Schultern hoch. »Es dauert nicht lange.«
»Tizia war hier und hat Oxana gefragt, ob sie mit einem von uns nach Plön fahren kann. Ich habe gesagt, dass ich sie in zehn Minuten mitnehme, aber da hat sie es sich plötzlich anders überlegt und ist wieder gegangen. Seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen.«
Pia trat einen Schritt vor. Der schmale Flur hinter Jörg Seesen war erleuchtet. Ansonsten war das Haus dunkel. Nur hinter einem der Kellerfenster links neben dem Eingang war ein schwacher Lichtschein zu erkennen. »Wir müssen auch mit Ihrer Freundin sprechen. Vielleicht hat Tizia ihr noch etwas Wichtiges gesagt.«
»Oxana schläft. Es ging ihr gestern Abend nicht so gut. Wahrscheinlich bekommt sie eine Erkältung. Ich werde sie jetzt nicht aufwecken.« Er klang entschlossen. Sein Kiefer war angespannt. Mit den Armen verwehrte er ihnen weiterhin den Zutritt zu seinem Haus.
»Sind Sie von dem Anruf Ihrer Schwester geweckt worden?«, fragte Broders.
»Ja.« Seesen verschränkte die Arme vor der Brust, über der sich ein schwarzes T-Shirt spannte. Pias Blick fiel auf seine muskulösen Oberarme. Die blaue Hose, die er anhatte, war staubig.
»Warum tragen Sie dann
Weitere Kostenlose Bücher