Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
gewissen Schutz gegen ihre Umwelt zu errichten.«
Mari nickte. Sie wusste, wie es war, mit zu vielen Emotionen bombardiert zu werden, und ein Kind, das in einem Haushalt mit Eltern und Brüdern lebte, würde unter Kopfschmerzen und Ohnmachten leiden und vielleicht sogar unter Gehirnblutungen. »Er hat es absichtlich getan, um zu sehen, wie zäh sie sein würde, nicht wahr? Ich war in einer kontrollierten, sterilen Umgebung, und sie wurde in einem chaotischen, hektischen Haushalt untergebracht. Er wollte vergleichen, wie wir damit umgehen.«
»Genau das glauben wir.«
»Und er wollte, dass sie ein Baby von deinem Bruder bekommt, weil er genetisch weiterentwickelt ist, stimmt’s?«
Ken nickte. »Ja. Wir glauben, er wollte, dass du zur gleichen Zeit schwanger wirst.«
Wieder war sein Tonfall frei von jeder Modulation, sein Gesichtsausdruck unverändert, seine eisigen Gletscheraugen absolut unergründlich, und doch zuckte sie zusammen, da sie extreme Gefahr witterte. Es war eigenartig, dass er sich nie rührte, dass nicht einmal ein Muskel unter seiner Haut spielte, und doch schienen sich die Aura der Gefahr und die Spannung im Raum zeitweilig derart zuzuspitzen, dass sie kaum noch atmen konnte und mit einer Katastrophe rechnete. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens in Gesellschaft von genetisch veränderten Soldaten verbracht – und war selbst einer von ihnen. Manche waren grausam, wie Brett, andere waren Männer, die sie respektierte, aber sie alle waren gefährlich. Doch an Ken nahm sie außerdem auch noch etwas anderes wahr. Sie hätte nicht genau sagen können, was es war, aber sie wusste, dass sie nie wieder gegen ihn kämpfen wollte. Sie hatte tatsächlich Glück gehabt.
»Mari?« Es erschütterte sie, wie er ihren Namen aussprach. Es war eine Liebkosung. Ein Streicheln mit samtenen Fingern. Er erschuf Intimität, wo keine war. Seine Stimme klang immer so sanft. Männer waren nicht sanft. Männer wie Ken, Raubtiere, Jäger — sie waren nicht sanft. Wie konnte er einzig und allein mit seiner Stimme bewirken, dass sie sich so verletzlich fühlte?
»Was erwartest du von mir? Was könnte ich dazu sagen? Ja, du hast Recht?« Sie hätte den Mund halten sollen. Jeder hätte die Anspannung gehört, die Wut, die unterdrückte Furcht und den Schmerz. Ihr Leben war die Hölle gewesen, seit Whitney beschlossen hatte, jeder der genetisch veränderten Frauen einen der Soldaten zum Partner zu bestimmen. Ihm war ganz egal, ob die Frauen die Männer wollten; er schien sich sogar tatsächlich daran
zu ergötzen, wie weit die Männer bereitwillig gingen, um sich die Frauen gefügig zu machen. Alles wurde mit pedantischer Genauigkeit aufgezeichnet und festgehalten. Und Männer wie Brett scheiterten nicht gern.
»Er hat versucht, die Mitwirkung der Frauen zu erzwingen? «
Sie unterdrückte ein kleines hysterisches Lachen. Das war wirklich milde ausgedrückt. »Whitney würde es nicht so formulieren. Er führt eine Situation herbei und lehnt sich als entspannter Beobachter zurück, statt sich die Finger schmutzig zu machen. Er überlässt es den Männern, uns zu zwingen.« Sie kniff ihre Lippen zusammen und wandte sich von ihm ab. Wie konnte sie Informationen weitergeben? Persönliche Informationen, entscheidende Informationen. Sie musste unter Drogen stehen.
»Whitney ist ein ausgemachter Schuft.« Ken bewegte sich, ein geschmeidiges Zusammenspiel von Muskeln, ein Gleiten lautloser Schritte, bis er wieder an ihrer Seite war und sie seinen Geruch tief einatmen konnte. Seine Handfläche fühlte sich kühl auf ihrer Stirn an, als er ihr Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. »Er hat seinen eigenen Tod vorgetäuscht und ist in den Untergrund gegangen. Jemand auf einem hohen Posten hilft ihm. Nachdem Jack Briony begegnet war ... «
»Wie ist er ihr begegnet? Es fällt mir schwer, diese Ballung von allzu großen Zufällen zu schlucken. Du warst rein zufällig der Schütze, als wir zum Schutz des Senators abkommandiert wurden. Du hast danebengeschossen, obwohl du wahrscheinlich noch nie in deinem Leben danebengeschossen hast.«
»Ich habe nicht danebengeschossen.«
»Du hast danebengeschossen.«
Die Andeutung eines Lächelns hob seine Mundwinkel. Seine gleichmäßigen weißen Zähne blitzten auf. Die Wirkung war atemberaubend. Ihr Körper prickelte von Kopf bis Fuß. Sogar ihre gebrochenen Finger prickelten – Finger, die er zerschmettert hatte. Sie erinnerte sich an den flinken Angriff, so rasch, dass sie seine
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