Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
du da?«, fragte Jack schroff.
Ken erstarrte, sein Gesicht wurde vollkommen weiß, und seine Augen weiteten sich schockiert und vor Entsetzen. Er wankte fort von ihr, sah seinen Zwillingsbruder hilflos an und streckte ihm eine Hand entgegen. Ein Ausdruck tiefster Verzweiflung war auf sein Gesicht getreten und zeigte sich in der Trostlosigkeit seiner Augen und auch darin, wie er sich mit dem Handrücken den Mund abwischte, als widerte ihr Geschmack ihn an.
Jack ging einen Schritt auf seinen Bruder zu und schüttelte den Kopf. Vor ihren Augen lief alles in Zeitlupe ab. Mari wusste Bescheid. Sie sah es kommen, als hätte dieser kurze Moment, in dem sie miteinander in Verbindung getreten waren, einen Teil von ihr in Kens Innerem zurückgelassen und sie könnte seine Gedanken lesen. Sie wusste so genau, wie es weitergehen würde, als hätten sie die ganze Szene vorher einstudiert.
Ken zog mit einer geschmeidigen Bewegung seine Waffe und drehte sich zu ihr um. »Es tut mir leid, Mari«, sagte er mit ruhiger Stimme und hielt sich den Lauf an den Kopf.
5
DER DONNER IN Kens Kopf wurde lauter. Er würde Maris Geschmack und ihren Geruch nie mehr aus seinen Gedanken vertreiben können; er würde für alle Zeiten die Arme nach ihr ausstrecken, sie berühren, sie besitzen müssen. Früher oder später würde er zwangsläufig zu ihr gehen, sie nehmen, sie sich aneignen – das stand so fest wie die Tatsache, dass er lebte und atmete. Und sowie das passierte, würden sie beide verloren sein. Er hatte ihr – und sich selbst – gezeigt, dass man ihm nicht trauen konnte. Er würde sie auf dieselbe Weise zerstören, auf die sein Vater seine Mutter zerstört hatte. Erst die Eifersucht und dann die Strafen, und schließlich würde der Wahnsinn gegen die Liebe siegen, und der Mord würde rasch und brutal vonstattengehen. Und dann würde Jack gezwungen sein, Jagd auf ihn zu machen und ihn zu töten.
Er sah seinen Bruder mit einem traurigen Lächeln an und hob seine andere Hand, um Mari vor dem Anblick zu bewahren. Ich habe dich immer geliebt, Jack. Ich will nicht, dass du es tun musst . Sein Finger spannte sich um den Abzug.
»Nein!« Jacks Stimme klang gequält; Furcht und Leid schwangen darin mit. »Du verfluchter Kerl, nein, Ken!« Er sprang mit einem Satz auf ihn zu, hundert Jahre zu spät; trotz seiner genetisch verstärkten Kraft und Schnelligkeit konnte er es niemals rechtzeitig schaffen.
Ken hatte die Waffe mit einer geschmeidigen und
geübten Bewegung gezogen. Ihm war kein Zögern anzusehen, nur Entschlossenheit, als hätte er schon immer gewusst, dass er eines Tages diesen letzten Schritt tun müsste, um es seinem Bruder zu ersparen. Schon während er die Waffe hob, war Mari in Aktion getreten. Sie warf sich von der Trage, und jede ihrer Bewegungen war sorgfältig kalkuliert. Ihr Kopf rammte Kens Arm. Sie fühlte die Hitze, die sich entwickelte, als die Kugel aus dem Lauf kam und viel zu nah an ihrem Gesicht vorbeiflog. So dicht an ihrem Kopf war das Geräusch ohrenbetäubend, aber sie klammerte sich an sein Handgelenk und riss ihn mit sich zu Boden. Sie landete mit einem harten Aufprall und konnte ihr Bein nicht schützen.
Sie hörte sich aufschreien; der Schrei entrang sich ihrer Kehle, doch sie hielt grimmig Kens Arm fest und presste ihn mit ihrem gesamten Körpergewicht auf den Boden, obwohl sie Sterne sah und fürchtete, sie würde ohnmächtig werden, bevor Jack seinen Zwillingsbruder erreichte.
Ken wehrte sich nicht. Stattdessen schlang er seinen Arm um sie und brachte seinen Mund an ihr Ohr. »Ich habe versucht, dich zu retten. Whitney hat auch von mir ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Er kennt mein Inneres wie kein anderer und dachte sich, es würde bestimmt Spaß machen, dir den Teufel als Partner an die Seite zu stellen.«
Sie drehte den Kopf, um in seine Augen mit dem seltsamen Farbton zu starren. »Der Teufel hätte nicht versucht, sich selbst das Leben zu nehmen, damit ich in Sicherheit vor ihm bin.«
Für die Dauer eines Herzschlags erhaschte sie einen Blick auf ungestüme Gefühle in diesen silbernen Augen, und ihr Herz machte einen heftigen Satz.
»Du wirst nie wieder in Sicherheit sein, Mari, nicht, solange ich am Leben bin.«
Jack trat die Waffe über den Boden, fort von Ken, ließ sich neben die beiden sinken und legte seinem Bruder eine zitternde Hand auf die Schulter. Mari hätte nicht geglaubt, dass ihn etwas derart erschüttern könnte.
»Was hast du dir bloß dabei gedacht, Ken? Du
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