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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Geschichte.«
    »Aber vielleicht«, sagte ich, »hat er tatsächlich das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt und ist losgezogen, um von Neuem zu beginnen.«
    »Oh, das ist gut«, warf Henry ein. »Das gefällt mir genauso gut.« Er klopfte seine Taschen nach einem Bleistift und etwas Papier ab und seufzte, als er keines von beiden fand.
    Einen Moment lang schwiegen wir alle und genossen das sanfte Schaukeln des Bootes und die duftende Luft.
    »Schaut mal, noch eine Sternschnuppe!« Konrad streckte die Hand aus.
    »Die Schöpfung Gottes ist so gewaltig«, murmelte Elizabeth und schaute zum nächtlichen Himmel auf.
    »Vater glaubt nicht an Gott«, bemerkte ich. »Er sagt, das ist ein überholtes …«
    »Ich weiß sehr gut, was er sagt«, unterbrach mich Elizabeth. »Ein überholtes Glaubenssystem, das die Menschen beherrscht und beleidigt hat und das unter den hellen Strahlen der Wissenschaft dahinschmelzen wird. Wie originell du doch bist, Victor, deinen Vater nachzuahmen.«
    »Und du bist natürlich schlauer als er«, gab ich zurück.
    »Ihr zwei, bitte!«, stöhnte Konrad.
    Elizabeth funkelte mich an. »Ich sag nicht, dass ich schlauer bin. Ich sag nur, dass er damit nicht recht hat.«
    »Oho!«, sagte ich und machte mich auf einen Streit gefasst.
    »Können wir nicht noch etwas über Wilhelm Frankenstein reden?«, fragte Henry. »Ich glaube wirklich, dass seine Geschichte das Zeug dazu hat …«
    Aber Elizabeth dachte nicht daran, sich von der Spur abbringen zu lassen. »Victor, ich glaube nicht, dass du wirklich ein Atheist bist, und wenn du es doch bist, dann nur deshalb, weil dein Vater es dir beigebracht hat.«
    »Und du bist katholisch, weil deine Mutter dir das so beigebracht hat. Und ein paar Nonnen noch dazu.«
    »Unsinn«, erwiderte sie. »Ich hab gründlich darüber nachgedacht und finde keine andere mögliche Erklärung« – sie deutete mit einer weit ausholenden Bewegung auf den Himmel, den See und uns – »für das alles!«
    »Das ist kein Beweis für Gott«, sagte ich und zitierte wieder meinen Vater.
    »Es gibt das Wissen und es gibt den Glauben«, sagte Elizabeth. »Das sind zwei verschiedene Dinge. Wissen verlangt Fakten. Glaube verlangt Vertrauen. Wenn es einen Beweis für Gottes Existenz gäbe, dann wäre das kein Glaube mehr.«
    Das verwirrte mich für einen Moment. »Ich verstehe einfach die Logik nicht«, warf ich ein. »Dann erscheint mir der Glaube wertlos. Man kann an irgendeine Fantasie glauben, singende Blumen oder …«
    »Wertlos?«, rief Elizabeth. »Mein Glaube hat mich über viele Jahre am Leben erhalten!«
    »Victor«, sagte Konrad. »Du verletzt noch ihre Gefühle.«
    »Oh, Elizabeth kann für sich selbst sorgen«, sagte ich. »Sie ist kein so empfindliches Blümchen.«
    »Ganz bestimmt nicht«, erwiderte sie scharf. »Und in Zukunft streite ich mich nur noch mit Leuten, die sich auf meinem intellektuellen Niveau befinden.«
    »Ich überlege ernsthaft, dich ins Wasser zu schmeißen«, drohte ich und stand langsam auf.
    »Ich möchte doch mal sehen, wie du das hinkriegst«, sagte Elizabeth und ihr Gesicht glich dem einer Wildkatze.
    »Bitte, bitte, fordere ihn nicht heraus«, sagte Henry und griff erschrocken nach den Bootsrändern. »Victor nimmt Herausforderungen immer an. Weißt du noch, was das letzte Mal passiert ist?«
    »Wir sind fast gekentert«, erinnerte sich Konrad, als ein bisschen Wasser über die Seite hereinspritzte.
    »Nass zu werden macht mich ganz fertig«, sagte Henry. »Victor, setz dich hin.«
    Ich starrte Elizabeth mit schmalen Augen an und sie starrte genauso zurück.
    »Ich hab mal gelesen«, sagte Henry schnell, »dass dir deine Zukunft klar wird, wenn du lange genug in den Himmel blickst. Hast du das schon mal probiert, Victor?«
    Das war ein so offensichtlicher Trick, dass ich lachen musste und mich wieder bequem zurück in die Kissen fläzte.
    »Und was siehst du für dich selbst, Henry?«, fragte ich meinen diplomatischen Freund.
    »Na«, meinte er, »für mich sind die Aussichten klar. Ich werde Kaufmann, und wenn die Zeit gekommen ist, übernehme ich die Geschäfte meines Vaters.«
    Entrüstet stützte sich Elizabeth auf die Ellbogen. »Das ist ja niederschmetternd pragmatisch, Henry.«
    »Es ist doch nichts Schlechtes daran, pragmatisch zu sein«, bemerkte Konrad.
    »Aber Henry, was ist denn mit deinem Interesse an Literatur?«, wollte Elizabeth wissen.
    »Die kannst du nicht essen, das ist das Problem«, antwortete er. »Ich hab’s versucht,

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